Eine Fotoreportage über die Helfer auf Lesbos.
Die Flüchtlingskrise ist in den Medien allgegenwärtig. Europa spaltet sich in seinen Ansichten, wie es mit den Neuankömmlingen umgehen soll. Für viele sind die Nachrichtenbilder nicht mehr zu ertragen, die täglich aus dem Ägäischen Meer in die heimischen Wohnzimmer flimmern. Sie werden selbst tätig, spenden Güter oder ihre eigene Zeit. Im Januar 2016 begleitete Fotograf Paul-Ruben Mundthal zwei Wochen ehrenamtliche Helfer („Volunteers“) mit der Kamera.
2000 Kilometer südöstlich von Deutschland wird nicht diskutiert, sondern angepackt, gekocht, sortiert, verteilt und transportiert. Auf der Insel Lesbos hat sich bereits ein gut organisiertes Netz von Volunteers und NGOs gebildet, die sich der Ersthilfe verschrieben haben. Da werden eilig Decken verteilt, Tee gekocht und neue Hilfsgüter ausgegeben. Wenn wieder ein klappriger UNHCR-Bus mit Geflüchteten im Transitlager „Moria“ auf Lesbos ankommt startet ihr Hilfesystem. Durchschnittlich erreichen täglich fast 1.130 Menschen (Stand 01/2016 UNHCR) die griechische Insel Lesbos im Ägäischen Meer. Auch viele Volunteers erreichen jeden Tag Lesbos mit dem Flugzeug oder der Fähre.
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„Das sind keine Menschenmassen, das sind Menschen“, erklärt mir Ayesha Keller (26). Es verschlägt sie bereits zum zweiten Mal nach Lesbos, diesmal dauerhaft. Im November 2015 begann sie, ein unabhängiges Hilfscamp neben dem Transitlager „Moria“ aufzubauen. „Im November war es hier schrecklich. Für mich ist das hier eine Mischung aus Stolz und Empörung. Eigentlich sollten diese Leute gar nicht hier sein, aber sie haben keine Wahl. Dafür haben wir es eigentlich ganz gut geschafft“, sagt sie. Was genau ihre Aufgabe ist, weiß sie nicht, denn das ändert sich von Tag zu Tag, je nach Situation. Hauptsächlich organisiert sie Abläufe und die Öffentlichkeitsarbeit des Projektes Better Days for Moria. „Als ich im Januar wieder ankam hat sich so vieles in kürzester Zeit verändert. Das Camp funktioniert wie eine kleine Firma mit Budget und vielen Helfern. Es geht aber nicht ums Geld, sondern wir machen es gemeinsam für die Menschen.“ Sie erzählt, dass die Grenzen zwischen Geflüchteten und Helfern verschwimmen können. Wenn jemand eine verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen will ist es egal, woher man kommt oder was der Status ist. So kommt es, dass Geflüchtete zu Instanzen in dem Lager werden.
- Ayesha Keller (26) aus Schottland hat daheim alles aufgegeben und baut die NGO “Better Days For Moria” auf: “Es sind hier alles Menschen, keine Massen. Zu Hause konnte ich fast nicht mehr aufstehen, ich musste helfen.”
- Zakaria Rahal (25) aus Marokko ist hier gestrandet: “In meinem Land gibt es keine Zukunft.” Seit 1,5 Monaten ist er nun in Moria: Er ist der Helfer, der immer da ist. Für ihn besteht nur eine geringe Aussicht auf Asyl in der EU.
- Hannibal Bilom (32) möchte den Menschen hier ein freundliches Willkommen in Europa bieten. Gerade hat er mit seinem Team einen Graben gegraben, damit das Wasser nicht im Camp steht. Fünf Wochen hilft er nun im Camp Moria.
- Salam Aldeen (33) wurde festgenommen, weil er auf See Menschen rettete. Ihm wird nun wegen angeblichen Menschenschmuggels der Prozess gemacht: “In den 48 Stunden, die ich im Gefängnis saß kamen 8 Leute ums Leben. Vielleicht hätten wir sie gerettet.”
Eine rührende Geschichte eines Geflüchteten im „Olive Grove“- Camp erzählt Zakaria Rahal (25) aus Marokko. Betritt man morgens das Camp kommt einem zuerst „Zak“, wie sie ihn hier nennen, entgegen. „Good“ liegt ihm auf den Lippen, bevor man überhaupt eine Frage gestellt hat. Zak ist hier seit über 1,5 Monaten gestrandet: „Ich habe 700€ bezahlt, damit mich die Schmuggler mit dem Boot her bringen. Nur zwei Leute haben Schwimmwesten getragen. Ich bin ein sehr guter Schwimmer, also brauche ich keine. Die Überfahrt hat 3 Stunden gedauert, dann war ich hier. Die ersten zwei Wochen waren wirklich sehr schlecht für mich. Mittlerweile habe ich sogar ein Dach über dem Kopf. Mein Alltag sieht gerade so aus, dass ich jeden Tag zum Camp komme und bis zum Ende der Schicht (1.30 Uhr) bleibe. Was soll ich auch sonst tun hier? Ich weiss nicht, wie lange ich hier bleiben werde.“
Einen Rückfahrschein hat auch der 32-jährige Hamburger Hannibal Bilom nicht. Gerade hat er eine tiefe Furche in die Außengrenzen des Camps gegraben, damit das Wasser ablaufen kann, was sich hier in der Mitte des Camps vom Hang angesammelt hat. „Ich bin hier, weil ich mich einbringen kann, egal ob beim Graben, bei der Zelttechnik oder was sonst so gebraucht wird. Ich finde es wichtig, hier ein freundliches Willkommen in Europa zu bieten“, so Hannibal. Er ist auf großer Europareise unterwegs und für ihn ist das hier ein Pflichttermin. Über die Zeit wird klar, dass Menschen aus allen Ländern der Welt nach Lesbos kommen, um dem entgegen zu treten, was in den Medien hoch und runter läuft. Viele opfern ihren Urlaub und organisieren ganze Hilfskonvois.
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Der Fall des Dänen Salam Aldeen (33) veranschaulicht in dramatischer Art und Weise, was es bedeutet, wenn die Politik auf die Situation Einfluss nimmt. Nachdem er mit seinem Seerettungsteam „Team Humanity“ 51 Leben auf hoher See rettete, wurde er mit vier anderen Mitgliedern seiner Crew festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, am Menschenschmuggel beteiligt gewesen zu sein, da man ein Messer an Board seines Bootes fand. „Das Messer brauche ich, um die Rettungswesten aufzuschneiden. Ich habe auch noch ein Walkie-Talkie. Damit gebe ich keinem Schmuggler bescheid, sondern unserem Team bei „Lighthouse“, wie unsere Situation hier ist. In den 48 Stunden, die mein Team eingesperrt war, sind 8 Leute im Ägäischen Meer ertrunken. Vielleicht hätten wir sie retten können.“ Aus seiner Stimmung ist die Verärgerung gegenüber den Autoritäten und der Küstenwache mehr als spürbar. Er darf nun, anders als bei anderen Ausländern hier, das Land nicht mehr verlassen, bis es zum Prozess kommt.
Die Stimmung zwischen denen, die Helfen und den Autoritäten spitzt sich zu. Der Fall zeigt, dass sich Volunteers durchs Leben retten strafbar machen können. Das wird die Menschen, die tagtäglich Zeltstrippen und Müllsäcke auf Lesbos ziehen aber nicht davon abhalten, das wesentlichste der Welt zu tun: Helfen.◼︎
- Wenn die Kapazitäten des Transitcamps und des selbstverwalteten Camps in Moria erreicht sind, helfen nur noch einfache Zelte und Decken, um sich vor der winterlichen Kälte zu schützen.
- Auf dem Handy zeigt der Rettungsschwimmer Salam Aldeen (33) Videos einer Rettungsaktion. Er gehört zur Hilfsorganisation “Team Humanity” und rettete mit seinem Team bereits unzähligen Menschen das Leben, was ihm nun zum Verhängnis werden könnte.
- Sobald es schummrig wird richten sich Autoscheinwerfer auf die Meeresenge zwischen der Türkei und Griechenland. Gewartet wird auf das Signal einer Taschenlampe, das Helfer in Alarmbereitschaft versetzt. Eine Überfahrt dauert zwischen 3 – 8 Stunden.
- Die Zahl geflüchteter Kinder nimmt rasant zu: Im Januar 2016 sind lt. UNHCR nach Überquerung des Mittelmeeres fast 40% der Geflüchteten Kinder oder Jugendliche. Eine Aussicht auf Besserung der Lage scheitert schon an dem Wort “Besserung”.
- Das Zeltlager “Olive Grove” unter der Leitung der NGO “Better Days For Moria” liegt gleich neben dem Transitlager Moria. Es gibt auch Geflüchtete die hier bleiben und helfen, da sie keine Aussicht auf Asyl haben.
- Im Camp “Pikpa” sind nur wenige Geflüchtete. Der Ansatz hier ist, Menschen, wie Schwangere, Kinder und Kranke zu schützen, die besonders gefährdet sind. Mit einfachen Mitteln wird versucht, den Aufenthalt so erträglich wie möglich zu gestalten.
- Bei klirrender Kälte halten sich Geflüchtete teilweise mehrere Tage draußen auf. Die winterliche Kälte machte im Januar sowohl Geflüchteten als den Freiwilligen zu schaffen.
- Auf der Landstrasse zwischen der Stadt Mytilini und dem Flughafen patrouillieren freiwillige Helfer. Das “boat spotting” dient dazu, ankommende Geflüchtete schnell zu erfassen, um erste Hilfe zu leisten und Busse des UNHCR-Hilfswerks zu rufen.
- Entlang des südlichsten Küstenstreifens auf Lesbos, der nur zu Fuß erreichbar ist, bahnt sich das Ausmaß der Katastrophe an. Boote, die einen falschen Kurs eingeschlagen haben stranden hier und Geflüchtete müssen weit zur entfernten Strasse laufen.
- Am Fuße des Hanges der Olivenplantage im selbstverwalteten Flüchtlingscamp “Better Days For Moria” sammelt sich das abgelaufene Wasser. Helfer versuchten bereits, mit Pumpen der Lage Herr zu werden.
- Ayesha Keller (26) aus Schottland hat daheim alles aufgegeben und baut die NGO “Better Days For Moria” auf: “Es sind hier alles Menschen, keine Massen. Zu Hause konnte ich fast nicht mehr aufstehen, ich musste helfen.”
- Zakaria Rahal (25) aus Marokko ist hier gestrandet: “In meinem Land gibt es keine Zukunft.” Seit 1,5 Monaten ist er nun in Moria: Er ist der Helfer, der immer da ist. Für ihn besteht nur eine geringe Aussicht auf Asyl in der EU.
- Hannibal Bilom (32) möchte den Menschen hier ein freundliches Willkommen in Europa bieten. Gerade hat er mit seinem Team einen Graben gegraben, damit das Wasser nicht im Camp steht. Fünf Wochen hilft er nun im Camp Moria.
- Baz Zwiers (38) aus Holland ist mit dem Team von “Because We Carry” hier und hat 10 Tage in Moria verbracht, um essen zu verteilen: “Eine Frau ist in Tränen ausgebrochen, weil wir ihr Essen und Spielsachen für ihre Kinder gegeben haben.” Sein Wunsch ist, dass das hier nicht Realität seien müsste.
- Salam Aldeen (33) wurde festgenommen, weil er auf See Menschen rettete. Ihm wird nun wegen angeblichen Menschenschmuggels der Prozess gemacht: “In den 48 Stunden, die ich im Gefängnis saß kamen 8 Leute ums Leben. Vielleicht hätten wir sie gerettet.”
- Tarik K. (26) ist nach eigenen Angaben aus Syrien geflohen. Er spricht marokkanisches Arabisch und Französisch. Er hofft, in Europa Asyl zu erhalten, um dort ein besseres Leben führen zu können. Auf der Flucht verlor er alle Dokumente und sein Handy. Sein Glück war das große Herz eines griechischen Volunteers, der ihm mit dem nötigsten geholfen hat.
- Suzana Sulaiman (43) aus Malaysia war zusammen mit Freunden 10 Tage auf Lesbos, um zu helfen. “Wir haben zu Hause 14.000 € gesammelt und Mützen gestrickt, um das hier zu verteilen.” Wie sie helfen können haben sie auf Facebook erfahren.
- Naveed Walizada (23) ist aus Afghanistan geflohen. Er hat 5 Tage auf Lesbos geholfen: “Seit einem Monat bin ich auf der Flucht, hier konnte ich zum ersten Mal aufatmen und was zurückgeben. Ich habe schreckliches erlebt. Kinder, die erfroren sind…”