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Mit fast 160.000 Followern gehört Pia Scholz alias Shurjoka zu Österreichs erfolgreichsten Persönlichkeiten auf der Live-Streaming Plattform Twitch. Die 23-Jährige streamt täglich für mehrere tausend ZuschauerInnen live und hat damit das Gaming, ihr größtes Hobby, in eine sehr erfolgreiche Karriere verwandelt. Wir haben uns mit Shurjoka über Twitch, was ihr als Streamerin in Österreich fehlt und ihren offenen Umgang mit psychischer Gesundheit unterhalten.

Shurjoka im Interview

Denkst du, dass Twitch als Plattform nun durch Corona und die Lockdowns im Mainstream angekommen ist?

Das kommt stark darauf an, was man als Mainstream wahrnimmt. Ich glaube, dass Twitch gerade bei den jüngeren Menschen momentan viel Präsenz zeigt, dadurch, dass man den ganzen Tag zuhause sitzt. Man kann sich nicht mit Freunden treffen und Netflix hat man auch irgendwann durchgeschaut. Da ist Twitch eine coole Alternative. Wenn man sich aber die Generation 50+ und traditionelle Medien wie Radio und Fernsehen ansieht, dann gar nicht.

Du machst seit neuestem auch YouTube und schreibst an deinem ersten Roman – wie schaffst du das alles zu händeln?

Ich habe mein Privatleben auf Pause geschalten. Momentan stehe ich mit der Arbeit auf und gehe mit der Arbeit schlafen. Das klingt zwar etwas traurig und frustrierend, aber ich habe es mir so ausgesucht. Ich habe das Glück, dass ich meine Hobbies zu meinem Beruf machen konnte und auch wenn das sehr zeitaufwendig ist, ist es trotzdem nicht so ermüdend, wie es andere Berufe für mich wären. Die Arbeit macht mir unfassbar viel Spaß und das macht mich auch leistungsfähiger. Mittlerweile habe ich auch einen Mitarbeiter, der mir Papierkram abnimmt und mir hilft einen Überblick über alles zu behalten.

Du wirst nach Deutschland ziehen und sprichst auch öfters darüber, dass ein Grund dafür die begrenzten Möglichkeiten in Österreich für Content Creator sind – was fehlt dir in Österreich?

Die meisten Firmen planen deutschsprachige Projekte für Deutschland und machen Österreich und die Schweiz on the fly mit. Gerade, wenn es um kleinere Streamer geht, die versuchen sich etwas aufzubauen, und davon haben wir in Österreich sehr viele, hat man bei Events oft das Problem, dass eher deutsche Creator ausgewählt werden, da man diese nicht einfliegen muss. Außerdem gibt es in Österreich zwar Menschen, die das Streaming aus Leidenschaft machen, doch für die meisten ist das leider trotzdem nur ein Hobby.

Eine Person die 40 Stunden die Woche arbeitet und in ihrer Freizeit streamt, kann nie die Leistung bringen, wie jemand der das hauptberuflich machen kann. Und es gibt leider auch Firmen, die das Budget hätten mit den Streamern Projekte umzusetzen und diese anständig für ihre Arbeit zu bezahlen, aber es nicht machen, weil sie nicht müssen, da es in Österreich niemand macht. Das sind Hindernisse, bei denen wir in Österreich momentan noch feststecken und die Entwicklungszeit brauchen. Da geht es nicht immer unbedingt um die komplette Gage, sondern um die fehlende Wertschätzung. Da muss Österreich nachziehen.

Shurjoka

Pia Scholz alias Shurjoka © Anna Krekova

Du sprichst mit deiner Community offen über psychische Probleme und deine Vergangenheit damit  – was möchtest du damit erreichen?

Ich hatte keine leichte Kindheit. Was mir als Jugendliche in der Zeit, in der es mir wirklich schlecht ging, noch extra Probleme verursacht hat, ist, dass mein Umfeld mir das Gefühl gegeben hat, dass irgendetwas mit mir nicht stimmt. Ich habe eine diagnostizierte Depression und eine bipolare Persönlichkeitsstörung. Das ist bei mir schon früh diagnostiziert worden. Aber mein Umfeld ist damit nie umgegangen, als wäre es eine Krankheit, sondern als wäre ich aufmerksamkeitsbedürftig, als würde ich krass pubertieren, als wäre ich eine Problem-Jugendliche, die anstrengend ist.

Etwas, was mir geholfen hätte, es zu akzeptieren und damit umzugehen, wäre zu wissen, dass es eine Krankheit ist. Für mich sind Depressionen wie eine Grippe: Dafür kann man nichts. Das Wichtigste ist sich selbst gegenüber offen und ehrlich damit umzugehen, denn nur dann kann man daran etwas verändern. Das Verständnis dafür, dass eine psychische Erkrankung etwas sehr Reales und Echtes ist und nicht etwas, dass man nur sagt, weil man keinen Bock hat oder müde und schlecht drauf ist, ist etwas, das in unserer Gesellschaft immer noch fehlt. Deswegen ist es mir wichtig, offen damit umzugehen und eine gute Gesprächskultur zu fördern. Denn wer könnte besser darüber reden, als jemand der selbst auch davon betroffen ist und das nicht schönredet.

Wie hat sich das Streamen auf deine psychische Gesundheit ausgewirkt? Ist die Arbeit manchmal schwierig für dich, da du auch in der Öffentlichkeit stehst und diese nicht immer freundlich mit allen umgeht?

Ich habe sehr früh mit dem Streaming begonnen, ich war 17 und bin auch mit 17 Twitch-Partnerin geworden. Es wäre für meine Entwicklung, glaube ich, aber besser gewesen, wenn ich ein paar Jahre später begonnen hätte, weil ich noch so mit mir selbst gestruggled habe und damit, wer ich als Mensch bin. Ich bin jetzt 23 und mache das seit 6 Jahren. Es hat mir am Ende des Tages doch sehr geholfen, meine Persönlichkeit zu festigen und mein Selbstbewusstsein auf einem Level aufzubauen, dass ich wahrscheinlich mit einem anderen Beruf in dem Alter noch nicht erreicht hätte. Ich glaube das Streamen hat auch sehr viel Lebenserfahrung geschaffen, gerade was zwischenmenschliche Dinge angeht. Man lernt, wie man sich selbst schützt, aber trotzdem offen mit seinem Umfeld umgeht. Wahrscheinlich habe ich Glück gehabt, es hätte auch in eine ganz andere Richtung gehen können.

Was kannst du Leuten mitgeben, die sich überlegen, selbst zu streamen?

Als ich mit dem Streaming begonnen habe, hatte ich unfassbar viele Leute um mich herum, die versucht haben, mir zu sagen, was ich in meinem Stream machen soll. Es glaubt gefühlt die ganze Welt, dass sie es besser weiß. Was mir am meisten gebracht hat, ist, nur das zu machen, womit ich mich wohlfühle und was mir Freude bereitet. Denn am Ende des Tages, egal wie sehr du dich bemühst, du wirst immer mit Leuten anecken, die dich nicht mögen und die dich in ein schlechtes Licht rücken wollen. Deswegen hilft mir am meisten, dass ich hinter dem stehe, was ich mache.

Was sind Projekte, die du unbedingt noch machen möchtest und von welchen Projekten kannst du uns schon etwas verraten?

Ich möchte ein bisschen weg vom nur Zocken. Nach sechs Jahren habe ich das Bedürfnis auch hin und wieder etwas anderes zu machen. Ich schreibe an meinem ersten Buch. Für mich ist dieses Jahr geplant, abseits von Twitch eine Homepage aufzusetzen, wo ich Kurzgeschichten hochlade, einfach weil ich gern schreibe. Ich habe auch überlegt, diese Geschichten zu synchronisieren, für die Leute, die es nicht lesen, sondern hören möchten. Ich möchte kreative Streams machen, in denen ich Charaktere aus meinem Buch illustriere. Koch-Streams wird es auch geben und jetzt auch mit dem Umzug nach Berlin, einige DIY-Projekte. Ich möchte auch Content bringen, der dann ein kleiner Ausgleich für mich ist, damit ich nicht sechs Stunden pro Tag im Stream nur auf den Bildschirm starre.

Das klingt alles sehr spannend. Wir werden auf jeden Fall reinschalten! Danke Shurjoka für deine Zeit.

Twitch-Kanal Shurjoka

Youtube-Kanal Shurjoka

Instagram Shurjoka