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Beschäftigt man sich mit mittelalterlicher Kampfkunst, wird man bald auf den Begriff „HEMA“ stoßen. Nein, das hat nichts mit der gleichnamigen niederländischen Warenhauskette zu tun. Vielmehr steht die Bezeichnung für „Historical European Martial Arts“. Insgesamt ein riesiges Sportgebiet, denn die „historischen europäischen Kampfkünste“ umfassen den Zeitraum von der Antike bis in das 19. Jahrhundert und beinhalten auch regionale Besonderheiten.

Die Ausübung und Pflege historischer Kampfkünste erlebt in Europa einen Aufschwung. Innerhalb dieses Trends haben sich regionale Spezialitäten herausgebildet: In Italien ist zum Beispiel die italienische Fechtschule sehr populär, in Osteuropa hingegen das Krummsäbelfechten früherer Reitervölker, während sich im deutschsprachigen Raum die Darstellung von Landsknechtformationen großer Beliebtheit erfreut. Das liegt zum Teil auch daran, dass die Entwicklung des HEMA, die vor allem in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren an Fahrt zugenommen hat, immer schon eng mit der LARP und Reenactmentszene der jeweiligen Länder, verbunden war.

INDES – Vom Krummsäbel zum Ringkampf

In Österreich ist dafür primär der Verband INDES zuständig, selbst noch eine recht junge Kreation, ist er doch erst dieses Jahr aus der Vereinigung mehrerer historischer Kampfvereine entstanden. Mit insgesamt acht Trainingsstandorten verteilt über das ganze Land widmet man sich der Aufgabe, „historische europäische Kampfkunst wieder zu beleben“, wie es auf der Website heißt. Dabei bietet man inzwischen neun unterschiedliche Waffengattungen an, vom mittelalterlichen Ringkampf bis zum Zweihänder ist alles dabei.

Doch wie kann man Kampftechniken, die seit Jahrhunderten nicht mehr praktiziert werden, wieder zum Leben erwecken? Im Prinzip mit wissenschaftlicher Quellenarbeit. Je nach Interessensgebiet wühlt man sich durch ältere und jüngere Manuskripte und versucht das gewonnene Wissen in der Praxis umzusetzen, wobei oft Kenntnisse des Lateinischen und Mittelhochdeutschen, trotz zahlreicher Abbildungen, durchaus von Vorteil sind. Als besonders ausgiebig erweisen sich dabei Fechtbücher, die seit dem Spätmittelalter in ganz Europa aufkamen.

 

Ein Selbstversuch

Ich schreibe dem Vorstand des Verbands eine E-Mail und tauche am Freitagabend zur Schnupperstunde auf, wie jeder pflichtbewusste Neuling natürlich eine halbe Stunde zu früh. Nach und nach trudeln dann auch die ersten Vereinsmitglieder auf.  Viele davon sind leicht als solche zu erkennen, da langhaarige Mittzwanzigjährige, manch einer auch mit Metalshirt, so wie man sich halt Mittelalterfans vorstellt. Dabei fällt auf, dass sich alle zur Begrüßung umarmen, auch Neuzugänge wie ich werden nicht ausgespart. Das hat einen ganz einfachen Grund: Wenn man schon aufeinander eindrischt, sollte man seinem Gegenüber auch vertrauen.

Der Stangenwaffenkampf

Zwar ist, das wage ich zu behaupten, gerade in Zeiten von Game of Thrones und Vikings der Schwertkampf die mit Abstand beliebteste Einstiegsdroge, doch habe ich mir für meine erste Einheit Stangenwaffenkampf ausgesucht. Bevor wir allerdings unser Kriegsgerät, das bedeutet in der Praxis zweieinhalb Meter hohe Holzstöcke, in die Hand bekommen, wird erstmal aufgewärmt. Anschließend gehen wir die verschiedenen Grundstellungen im Stangenwaffenkampf, fachmännisch „Hut“ genannt (daher auch der Begriff „Auf der Hut sein“) durch. Während wir Anfänger uns die nächste Stunde damit abmühen diverse Grundmechanismen des Stangenkampfes einzutrainieren erhasche ich aus dem Blickwinkel wie drei INDES-Veteranen eine Abfolge von mehreren Stangenwaffenbewegungen von einem Ende des Trainingsraum bis zum anderen durchexekutieren. Da wird mir erst bewusst, dass Speerkampf nicht nur eine ebenso filigrane und herausfordernde Disziplin ist wie „klassisches“ Fechten, sondern auch welchen Respekt man vor den disziplinierten Söldnerhaufen des Spätmittelalters haben sollte. Kein Wunder, dass die letzten Ritter dagegen keine Chance hatten, sie können einem fast leidtun.

Ganz zum Schluss kommt noch eine Partnerübung, wobei wir uns frei durch den Raum bewegen und dabei versuchen, die immergleiche Distanz zum Gegner einzuhalten. Wirklich gekämpft wurde heute also nicht. Das stört mich wenig, bin ich doch längst überzeugt diese Sportart(en) weiterzuführen und dem Verein beizutreten. Vielleicht spüren das auch die INDES-Mitglieder denn ich werde spontan zum Spieleabend im Hauptquartier eingeladen. Kann man zu so einem Angebot Nein sagen? Ich jedenfalls nicht.

 

 

Weiterführende Links

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