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Bei einer Lesung des tschechischen Autors Marek Šindelka im Tschechischen Zentrum Wien dolmetscht Michael Cernoch für ihn und das Publikum. Im Interview mit Delay Magazine erklärt er, wie das Ganze funktioniert. Ein Beruf im Porträt. 

 

Wie sieht dein Werdegang aus? 

Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Meine Eltern kommen aus Tschechien und sind emigriert in den Achtzigern. Deswegen bin ich zweisprachig aufgewachsen. Ich habe in Passau Volkswirtschaft studiert, dann bin ich nach Wien gekommen und habe angefangen Dolmetschen zu studieren – und jetzt bin ich im Master. Nebenbei hab ich angefangen hier im Tschechischen Zentrum Wien zu arbeiten. Ich mache hier PR und Programm, dolmetsche bei Veranstaltungen und mache Übersetzungen.

 

Wie ist die Kombination aus Tschechisch und Portugiesisch entstanden?

Sprachen allgemein haben mich schon immer fasziniert und ich glaube, dass ich da auch eine ganz gute Veranlagung habe. Das Portugiesische kommt von einem Freund, der in der Schule nach Brasilien gegangen ist und mich da irgendwie angesteckt hat. Ich habe dann an der Uni angefangen Portugiesisch zu lernen und war für ein halbes Jahr in Brasilien. Ich war dann auch noch mit Erasmus ein Semester in Lissabon.

Es gibt diese Kombination dieser zwei Sprachen im Studium nur an der Uni in Wien, zumindest im deutschsprachigen Raum, aber ich glaube vielleicht auch weltweit. Tschechisch gibt’s eh nicht viel außerhalb Mitteleuropas.

 

Wie bereitet man sich auf das Simultandolmetschen vor?

Man muss eigentlich nach allen Informationen greifen, die man so bekommt, weil man oft irgendwo eingesetzt wird und keine Ahnung hat, wer der Mensch, den man dolmetscht, ist.

Man denkt immer, dass man ein ultraspezielles Talent für das Simultandolmetschen braucht, weil man so viele Sachen auf einmal machen muss, aber das ist alles Übung. Ich bin da auch noch im Lernprozess.

© Tschechisches Zentrum Wien

Es gibt ja einen Unterschied zwischen dem Dolmetschen und dem Übersetzen eines Buches. Man muss nicht nur die Worte übersetzen, sondern auch die Mundart derjenigen Person und ihre Emotionen.

Man sollte eigentlich unsichtbar sein, aber alles transportieren – Stimmung, Stimme, Intonation – was den Auftritt ausmacht. Manche Leute machen einem das ziemlich schwer. Hier zum Beispiel sind auch viele Leute, die ein bisschen tschechisch sprechen, deswegen ist es ein bisschen lockerer, aber oft bist du als Dolmetscher die einzige Quelle der Information.

 

Wo siehst du die Schwierigkeiten? 

Ich habe hier mal einen Vortrag gedolmetscht, der über eine Stunde ging und sehr langweilig war und die Dame, die vorgetragen hat, hat das auch noch zum ersten Mal gemacht und war deshalb ziemlich unsicher.

Durch mein Dolmetschen wurde das nochmal fast doppelt so lang. Es war einfach grausam, weil man dann selber auch so in diesen Sog reingezogen wird. Aber du kannst ja dann eigentlich nichts dafür, weil du ja dann da auch keine Show draus machen kannst, nur weil du merkst, dass es total langweilig ist und die Leute schon anfangen zu gehen.

 

Wie hilft dir das Studium dabei?

Ich finde, dass sowas im Studium ein bisschen zu kurz kommt. Es gibt trotzdem einige Dozenten, die auch praktische Tipps geben.

Meine Professorin hat zum Beispiel mit uns simuliert, dass wir konsekutiv gedolmetscht haben und sie die restliche Klasse aufgefordert hat, laut zu sein und Zwischenfragen zu stellen, also ein bisschen unverschämt zu sein.

 

Ist es sehr anstrengend für dich?

Beim Simultandolmetschen übersetzt man circa eine halbe Stunde, mehr geht halt einfach nicht. Blöd ist, wenn du nach fünf bis zehn Sekunden merkst, dass du gerade kurz mal nicht zugehört hast. Hier war es ganz gut, weil es eine Lesung war und ich nicht permanent was machen musste.

Wenn du einen Dialog dolmetschst, musst du die Fragen, dann die Antworten übersetzen und das ist ziemlich anstrengend, weil du halt keine Verschnaufpause machen kannst. Die Zeit hast du nicht und die wird dir auch nicht gewährt.

 

Was ist der Worst Case?

Das Schlimmste sind so unerwartete Sachen, die einen aus dem Konzept bringen. Bei einem Black-Out in einem Vortrag sammelst du dich kurz, gehst deine Unterlagen durch und dann kannst du weitermachen. Beim Dolmetschen geht das nicht, da musst du in so einer Situation eben schnell handeln und zur Not etwas geschickt weglassen.

Ich arbeite viel mit Zeichen. Das wird dann beim anschließenden Dolmetschen schnell sehr unübersichtlich, weil da einfach zu viel steht. Diesmal habe ich viel zu viel geschrieben. Diese Notizen müssen einfach situativ sitzen, später kann ich das teilweise nicht mehr nachvollziehen oder lesen.

Schlimm ist auch, wenn man einfach was Dummes erzählt, man das aber nicht checkt. Das ist die große Kunst, dass man interaktiv bleibt. Dass man nicht stumpf was wiedergibt, sondern über die Sachen, die man sagt auch noch nachdenkt, so dass es einen Zusammenhang hat. Man muss nicht nur die Worte übersetzen, sondern eben auch den Sinn.

© Tschechisches Zentrum Wien

Da gibt es so ein bisschen die Parallele zum schriftlichen Übersetzen. 

Ja, obwohl man beim Schriftlichen eben die Zeit hat, sich auch mal zum Beispiel eine Woche oder länger hinzusetzen und das ist ja schon was ganz Anderes.

Noch ein Unterschied ist, dass du nur eine bedingte Qualitätsprüfung beim Dolmetschen hast. Du hast eine Beurteilung live vor Ort. Aber eine Übersetzung, die steht halt einfach, die ist da und die geht auch nicht mehr weg. Da hast du nicht so einen Spielraum.

 

Man darf sich also keine Fehler leisten.

Bei Autoren verzeiht man das ja auch. Da gibt’s zum Beispiel Preise für junge Schriftsteller et cetera, wo man sieht, dass es noch ein Entwicklungspotential gibt. Aber wenn das Dolmetschen scheiße ist, dann ist das allen egal, ob du jetzt gerade Berufseinsteiger bist. Im Endeffekt musst du deine Leistung bringen, und das macht es ein bisschen schwierig. Du kannst nicht sagen: „Entschuldigung, ich bin übrigens noch nicht so ein guter Dolmetscher, deswegen wird die Veranstaltung hier ein bisschen scheiße.“ (lacht)

 

Vielen Dank für das Interview!

 

Infos und weiterführende Links

Interview mit Marek Šindelka: delaymagazine.at/autor-marek-sindelka-im-interview