Podcast

Die Nationalratswahl ist (endlich) geschlagen. Wir schauen uns an, welche Konsequenzen sich jetzt für die Gewinner, welche für die Verlierer ergeben.

Es war ein langer Wahlkampf. Im Grunde begann er mit Veröffentlichung des Ibiza-Videos. Von Skandalen dominiert, war es ein vorwiegend inhaltsleeres Gezanke, das man in unzähligen TV-Formaten aufgetischt bekam. Jetzt wo das Ergebnis feststeht, zeichnet sich eine Verlängerung in Form von langwierigen Koalitionsverhandlungen ab.

The winner takes it all?

Als klarer Wahlsieger liegt es an Sebastian Kurz, nach seinem enormen Erfolg Sondierungsgespräche zu führen. Die Ausgangslage stellt sich für ihn jedoch nicht so rosig dar, wie es zunächst scheint.

Die Freiheitlichen, die ja so gerne die im Wahlkampf viel zitierte “gute Arbeit” fortgesetzt hätten, wollten nach dem Debakel gestern von einer Regierungsbeteiligung nichts mehr wissen. Wie ernst gemeint diese Aussagen der FPÖ-Führung waren, wird sich weisen.

Die Sozialdemokraten stellen nach ihrem historisch schlechtesten Wahlergebnis für die Türkisen auch keinen besonders attraktiven Koalitionspartner dar. Schließlich war die Scheidung von der SPÖ die Geburtsstunde der politischen Kunstfigur Sebastian Kurz.

Als einzig realistische Option wird im Moment eine Koalition der ÖVP mit den Grünen gehandelt. Werner Kogler, der die Partei zum besten Ergebnis in der Geschichte der Partei wieder ins Parlament geführt hat, gibt sich aber zurückhaltend.

Kurz steht recht alleine da. Das aber trotzdem mit einem riesigen Vorsprung und somit auch einer starken Verhandlungsposition.

Wie man sich neu erfindet

21,7% ist kein Ergebnis, das einer selbsterklärten Volkspartei Freude bereiten kann, schon gar nicht der SPÖ. Dennoch scheint Pamela Rendi-Wagner vorerst fest im Sattel zu sitzen. Das Köpferollen wird wohl eher in der zweiten Reihe stattfinden. Heute Morgen gab Thomas Drozda als Erster seinen Rücktritt als Landesgeschäftsführer bekannt.

Veränderung ist notwendig. Das ist der Grundtenor, den man in SPÖ-Kreisen vernimmt. Es regen sich erste Stimmen, die nach einer Verjüngung der SPÖ rufen. Auch mehr Frauen werden gewünscht. Aus der Sektion 8, dem progressiven Gewissen der SPÖ, hört man, dass mehr Basisdemokratie wichtig wäre. Nur bei Pamela Rendi-Wagner scheint man sich bis auf Weiteres einig zu sein.

Für die Parteivorsitzende könnte sich die Wahlschlappe als Chance darstellen. Sie ist nun unfreiwillig in der Situation, ihre Partei von Grund auf reformieren zu müssen und die Landeschefs unter Kontrolle zu bringen. Ansonsten droht der SPÖ wohl, wie ihrer deutschen Schwesterpartei, ein Abdriften in die Irrelevanz.

Schisma in der FPÖ?

Auch die Blauen haben nichts zu feiern. Der Ibiza-Skandal, die Spesenaffäre und in Folge der Verlust ihres Superstars H.C. Strache haben der Partei massiv zugesetzt. Von einer Neugründung ist jetzt die Rede.

Die Differenzen zwischen den zwei Lagern, die sich schon im Wahlkampf abzeichneten werden durch den zweistelligen Verlust sicher nicht abgemildert. Es wird sich zeigen, ob Norbert Hofer, der ja eher als sanfter Diplomat auftritt, ausreichend Durchsetzungskraft für die Parteispitze aufbringt. Der Oppositionsprofi Herbert Kickl wird es da wohl leichter haben. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob es die Blauen à la Knittelfeld zerreißt oder ob die zwei Alphas in der FPÖ tatsächlich als Doppelspitze funktionieren.

Nach der Wahl, vor der Entscheidung

Die nächsten Wochen werden für die österreichische Innenpolitik große Neuerungen bringen. Eine Partei geht mit nie zuvor dagewesenem Vorsprung in Sondierungsgespräche, bei denen ohnehin nur eine Partei wirklich in Frage kommt. Die Vorstellungen von Türkis und Grün sind aber, um es mild zu formulieren, nicht gerade deckungsgleich. Sollten sich tatsächlich ernsthafte Koalitionsverhandlungen ergeben, wird es für beide Parteien schwierig, Glaubwürdigkeit zu bewahren. Rechte Migrationspolitik kommt für die Grünen genausowenig in Frage, wie eine ökosoziale Steuerreform zu Ungunsten von Großverdienenden für Sebastian Kurz. Da müsste der junge bald-wohl-wieder-Kanzler schon eine 360-Grad-Wende hinlegen. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass das gar nicht so unwahrscheinlich ist.
Außerdem darf man nie vergessen: Mit Überraschungen ist immer zu rechnen.