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Nach längerer Pause veröffentlicht der in Wien lebende Musiker David Hebenstreit aka Sir Tralala einen neuen Song. Mit Santa Maria Amore Corona huldigt er der Zeit während Corona und singt von einem Wiedersehen.

Sir Tralala im Interview

Dass Sir Tralala ein Mann der gewählten Worte ist, wird vielen nach einem ersten Konzertbesuch klar. Der geigespielende Allrounder ließ sich von der Corona-Krise inspirieren und lässt jetzt mit einem Schlagersong aufhorchen. Im Interview mit Delaymagazine.at spricht er über die Quarantänezeit, seinen neuen Song und gibt einen Ausblick in die Zukunft seines Schaffens.

Wie geht es dir heute und wie ist es dir während der Quarantäne ergangen?

Ich bin ein bissl erschöpft, weil ich mich zu einer Corona-Grundsatzdiskussion auf Facebook hab hinreißen lassen. Es ging um die Frage, ob die derzeitigen staatlichen Unterstützungen für Unternehmen funktionieren. Mit dem Lockdown an sich bin ich gut zurecht gekommen. Ich hab mich von den Unsicherheiten nicht beeindrucken lassen, und die Zeit genutzt, um meinen Kram neu zu strukturieren, Arbeiten zu erledigen, die gemacht gehören, zu denen ich sonst nicht komme. Von mir aus könnte diese Pause noch länger dauern, dann bin ich richtig gut aufgestellt.

Wie schaut es finanziell bei dir aus, und wie sehr leidest du darunter, derzeit nicht live spielen zu können?

Es ist okay, ich weiß, wie hoch mein Jahresumsatz sein muss, damit ich mit allem gut über die Runden komm. Ich kann rechnen, kenn mich mit Buchhaltung, Steuern und Sozialversicherung aus, und es gibt mittlerweile für alle selbständig Erwerbstätigen die Möglichkeit, staatliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Das Livespielen geht mir noch gar nicht so ab. Ich bin ohne Nachtarbeit auch fitter für Familiensachen. Und das Ego hat trotz fehlendem Applaus nicht gelitten.

Merkst du aufgrund der Corona-Krise eine gewisse Solidarität unter den Musikern?

Solidarität gibt es auch ohne Corona. Mit manchen mehr, mit manchen weniger. Jedoch habe ich den Eindruck, dass Leute die einen manchmal fast schon desavouieren, plötzlich merken, dass wir das nicht nur zum Spaß machen, sondern hier auch Berufe ausüben, an denen unsere Existenzen hängen. Mir kommt es so vor, als würde hier nun weniger Musiker-Bashing als sonst betrieben.

Du hast einen neuen Song rausgebracht. Wie kam es zu der Idee, einen Schlager zu produzieren?

Als der Lockdown und die Auftrittsverbote kamen, war da schon eine Unsicherheit. Was mach ich, wenn ich jetzt vielleicht gar keine Einkünfte mehr habe ? Und wer weiß, ob der Staat etwas tun wird für uns, also was mache ich nun, um trotzdem Geld zu verdienen. Und ich brauch auch eine regelmäßige Form von Output, um als Künstler nicht von der Bildfläche zu verschwinden. Also habe ich überlegt, etwas kommerzielleres zu produzieren. Einen Schlager, also ein Lied mit dem ich vielleicht auch mehrere Leute anspreche als sonst. Aber ganz so kommerziell ist auch das nicht geworden, weil wer hört schon Schlagermusik, die sich an den 70ern orientiert. Trotzdem ist es ein kleiner Ohrwurm geworden, und es wird auch im Radio gespielt, also es freut mich, dass der Plan zumindest ein bisschen aufgegangen ist.

Inwiefern hat dich die Corona-Krise inspiriert? Bzw. Ist Corona für dich eine Muse gewesen?

Ich schreibe über die Dinge, die mich grad beschäftigen, und Corona war sehr präsent, deshalb handelt auch das Lied davon. Als ich es der Plattenfirma vorgespielt habe, meinten die, dass Schlager und Corona eine eher schwierige Mischung ist. Daraufhin hab ich das einfach im Alleingang veröffentlicht. Ich war zuhause und im Studio eingesperrt, und wollte nicht lange diskutieren, oder auf Meetings warten oder um einen Marketingplan betteln, und darauf hoffen, dass jemand für mich etwas tut. Es musste schnell gehen, sonst hätte es nicht mehr gepasst.

Und insofern war das auch eine von vielen Corona-Lektionen: Ich möchte den Leuten aus der Musikindustrie nicht auf die Nerven gehen, wenn ich das Gefühl habe, meine Musik interessiert sie nicht wirklich, oder halt jemand wittert, mal schnell etwas abstauben zu können, weil ich halt grad mal wieder oben bin, weil ich viel Arbeit wo reingesteckt habe, und die Dinge einfach laufen. Entweder eine Bookingagentur, Plattenfirma, etc. ist davon überzeugt, mit meiner Kunst und Musik etwas anfangen und die auch verkaufen zu können, dann freue ich mich auf gute Zusammenarbeit. Falls ich das Gefühl habe, die wollen oder können sich nicht so richtig um meine Sachen kümmern, dann mach ich es einfach selber.

Ich bin, wenn ich alleine arbeite, ja auch ganz gut unterwegs, zumindest kann ich davon leben. Insofern hat mir Corona dabei geholfen, mich erst einmal wieder auf die essenziellen Sachen zu besinnen. Dann fällt auch dieses Gefühl, jemandem ausgeliefert zu sein, teilweise weg. Natürlich geht aber nichts über eine gute Zusammenarbeit mit Leuten, mit denen man sich versteht. Und die Zusammenarbeit mit der Plattenfirma wo ich mein letztes Album „Echt gute böse Lieder“ herausgebracht habe, war im Großen und Ganzen gut.

Kannst du uns etwas zur Entstehung von “Santa Maria Amore Corona” erzählen?

Künstlerisch arbeite ich grad am liebsten mit meinem Kumpel Bert Walser, er sitzt in einem kleinen Dorf am anderen Eck von Österreich, hat dort ein kleines Medienunternehmen, er nennt es „Tante Gert“. Außerdem betreiben wir eine Art Zweierselbsthilfegruppe für Choleriker, wir kontaktieren uns gegenseitig, wenn uns Sachen auf die Nerven gehen, und eigentlich chatten wir fast jede Nacht, weil es gibt immer vieles worüber man sich gut ärgern kann. Aber wir arbeiten auch zusammen, und tauschen gemeinsam Skills aus.

Ich sag ihm also: “Ich fetz jetzt einen Schlager für Sir Tralala raus. Ich muss mal endlich reich und berühmt werden.“ Er sagt dann: “Ja. Mach das. Das wird deine künstlerische Selbstvernichtung.“ Und ich: “Darauf scheiß ich, weil es ist Corona, da mach ich was ich will. Ich brauch ein Musikvideo. Ich hab einen Greenscreen und einen Strohhut, und ich film mich mit dem Handy, und dann schick ich dir das ganze Klumpert, und dann schneiden wir was rein damit es ausschaut als wären wir in Venedig, weil dort war das Virus vorher, und ich mach noch einen fetten Chor und ein Orchester dazu, das wird gut.“

Und zack. Eine Woche später ist das Video fertig, ohne viel Herumscheißerei und Starallüren – obwohl ich ihm manchmal schon auch metaphorisch die Eier kraulen muss, damit er nicht daneben schießt, aber das mache ich gern, weil ich mag ihn, und er ist halt ein Tiroler Sturschädel. Und das Video ist richtig schön geworden. Er hat alles wie ein Urlaubsvideo aussehen lassen, und ganz viele kleine subtile Sachen eingebaut. Er hat dem ganzen mehr Witz gegeben als eigentlich geplant, aber es hat eine gute Selbstironie. Trotzdem darf man das nicht mit Kabarett verwechseln, und das war das Schwierige, das ich in der Zusammenarbeit durchsetzen musste. Weil es ist ja auch traurig, das ganze Thema mit dem Corona, und den Toten und dem Eingesperrtsein.

Ich mag es, wenn die Sachen mit Sir Tralala eine kleine Gratwanderung sind. Zuhörer sollen bei Sir Tralala frei interpretieren, ihre eigenen Phantasien projizieren und die Frage: “Wie ist etwas gemeint?“, im Endeffekt selbst entscheiden – solange es positiven Sinn ergibt, bzw. sie selbst die Verantwortung dafür übernehmen.

Was war für dich der ursprüngliche Initiator Musik zu machen?

Ich wollte als Kind so sein, wie der kleine Bub in dem Cowboy-Gewand. Der beim Musikantenstadel auf der Bühne stand und Countrygeige spielte. Das hab ich mit 5 oder 6 auf der Alm mit meiner Oma auf einem batteriebetriebenen Schwarzweiß-Fernseher gesehen. Daraufhin habe ich gesagt, ich mag nimmer Blockflöte, ich mag lieber Geige. Obwohl das Üben dann oft eine Qual für mich war.

Wie sieht dein Songwritingprozess aus?

Es gibt ein Thema, zu dem ich einen Text schreib, und dann muss ich mich zuerst für einen von vielen sprachlichen Zugängen entscheiden. Je nach sprachlichem Zugang kann man ein Thema unterschiedlich erschließen. Wenn ich zB. ein Lied schreibe, in dem der Liebesakt drin vorkommt, dann macht es einen großen Unterschied, ob ich dazu „Ficken“ sag oder anders. Vielleicht sind die am besten und stabilsten, die nur einen einzelnen sprachlichen Zugang haben, in welchem sie dann immer sprechen. Aber mir selbst fehlt diese sprachliche Ur-Identität ein wenig, ich fühle mich als Bastard. Und manchmal will ich auch einfach ganz andere sprachliche Zugänge ausprobieren, die sonst nicht meine sind. Wie am letzten Album, das teilweise ein bisschen derb geworden ist. Nun, wenn ich also meine Sprache gefunden habe, dann fang ich an zu dichten, bzw. kommt dann eh einiges an Text von selber daher, und ich denk mir Harmonien und Melodien dazu aus, weil die Musik sorgt im Grunde für eine zusätzliche Konnotation der Sprache. Musik macht den Text dann in einem Lied interpretierbar. Gleichzeitig habe ich auch einen bestimmten Musikstil im Kopf.

Sir Tralala ist ja stilistisch schwer einordbar, und ich kann Countrymusik machen, Punkrock, elektronische Musik programmieren, ich kann auch sinfonische Dichtungen für großes klassisches Orchester. Da muss ich mich auch erst festlegen. Für Santa Maria Amore Corona wollte ich einen durcharrangierten Schlager im alten Stil machen, mit Schmalzorchester und Chor, und alles sollte aber auch ein bissl nach James Bond klingen, mit so 60er Tremolo E-Gitarren. Ein Teil des Songwritings passiert auch direkt im Studio, ich hab mir eines eingerichtet, wo ich immer rein kann, wenn ich Zeit hab. Ich kann auch alles selber professionell mischen und hab manchmal sogar während der Aufnahmen schon meine Mastering Chain in der Stereosumme hängen.

Wer hat das schöne Cover zum neuen Song gestaltet?

Das war Jörg Vogeltanz. Er ist auch ein bissl so ein Getriebener. Wenn ihm ein Thema taugt, und er dich leiden kann, dann setzt er sich hin und fetzt grafisch die ärgsten Sachen raus. Wichtig ist, bei guten Leuten wie ihm, dass man nicht zuviel diktiert. Man muss den Künstlern die Freiheit der eigenen Interpretation lassen, auch wenn es ein Auftragswerk ist. Dann kommen meist richtig gute Sachen dabei heraus. Dann haben die Leute, die ihren Beitrag zu der Sache leisten, auch ihren Lustgewinn. Natürlich muss man wissen, mit wem man arbeitet, und worauf man sich einlässt. Vogeltanz hat mich am vorletzten Albumcover mit abgerissenem Kopf gemalt, und mich in ein Hieronymus Bosch Szenario gesetzt. Das ist so gut geworden, dass ich zuerst selber sehr erschrocken war. Beim Artwork für Santa Maria Amore Corona hab ich ihn dann vorher gefragt, ob er das vielleicht nicht ganz so oarg wild machen kann, weil ich will ja, dass das Lied auch von einem Schlagerpublikum gehört wird, und nicht nur vom Charles Manson Fanclub.

 Sir Tralala

 

An was arbeitest du gerade aktuell?

Ich sollte mit der Promotion für meinen Schlager endlich in die zweite Phase, und dann muss ich mich intensiver um meine Bookingarbeit kümmern. Leider hat die Arbeitsbeziehung zu meiner neuen Bookerin den Lockdown nicht überlebt. Jetzt mach ich das halt wieder selber. Es tut mir ein bisschen leid, weil wir waren dabei, eine gute Basis aufzubauen. Aber es wirft mich jetzt nicht aus der Bahn, ich bin ein alter Hase. Außerdem arbeite ich an einer neuen Unternehmenswebsite, wo ich auch Portfolios meiner anderen Arbeiten zeigen kann. Ich hab zum Beispiel einiges an Filmmusik gemacht, für Kino und Fernsehen. Auch Musik für andere Bereiche interdisziplinärer Kunst. Ich hab als Produzent für andere Bands und auch als Studio und Livemusiker gearbeitet. Für mich ist es jetzt erstmal wichtig, dass ich gut strukturiert bin und meine verschiedenen Tätigkeiten gut präsentieren kann. Und dass ich auch wieder einen geordneten unternehmerischen Rahmen hab.

Und nachdem ich Skills in sehr vielen unterschiedlichen Disziplinen hab, bedeutet das aber auch, dass ich meine Rollen in dem künstlerischen Betrieb gut definieren muss, und dementsprechend verschiedene Tätigkeitsprofile erstellen und nach außen kommunizieren muss. Und diese aber auch voneinander abgrenzen muss. Sonst kennt sich niemand aus, bzw. kann es dann durchaus passieren, dass ich Leuten, die noch nicht mit mir zusammengearbeitet haben, kompliziert erscheine. Außerdem habe ich zum ersten mal seit vielen Jahren wieder eine eigene Band: Sir Tralala & Die Sorgen. Und dann gibt es ja zuhause auch noch Familie. Homeschooling und Hausarbeit ist auch eine Arbeit. Und drei kleine Gemüsebeete hab ich auch.

Wie beschreibt sich Sir Tralala mit drei Worten?

Stilpluralistisches WTF Entertainment ?

Wann wird man dich wieder live sehen können?

zB. am 12. Juni 2020 in einer Peepshow in der Burggasse in Wien, im Rahmen der Veranstaltung „Salon Guckloch“. Dort gibt es Kabinen, da können mir die Leute beim Musikmachen zuhören und zusehen, ohne sich gegenseitig mit Corona anzustecken. Ein Teil des Erlöses geht an die Vereine Sophie und LEFÖ/TAMPEP, die kümmern sich um Prostituierte. Wir sind ja auch ein bisschen berufsverwandt. Beides sind Entertainmentberufe. Wir Künstler entblößen halt manchmal unsere Seelen vor dem Publikum, und werden dann von den Kritikern hergenommen (selten auch verehrt), und die Girls in den Shows entblößen halt ihre Körper.

Foto von der Albumreleaseshow am 13.09.2018 ©2018 Michael Kendlbacher

Infos und weiterführende Links

Sir Tralala FB

Tante Gert – Bert Welser

Konzerttermine:

www.hebenstreit-david.net