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Wir sind mittendrin im Medienwahlkampfspektakel. In den Elefantenrunden und TV-Duellen wechselt man gekonnt zwischen arroganter Jammerei und beleidigter Patzigkeit hin und her. Was bleibt dabei von inhaltlicher Sachpolitik übrig? Eine erste Zwischenbilanz zum beginnenden Intensivwahlkampf.

Opferstrategie gegen Skandalisierungen

Altkanzler Sebastian Kurz möchte sich den „Luxus“ der Pilz’schen Skandalisierung nicht geben. Der ehemalige Aufdecker Peter Pilz setzt in Hinblick auf die schlechten Umfragewerte auf Konfrontation und offensive Strategien. Das kommt bei Kurz nicht gut an, er schickt Karoline Edtstadler als Vertretung ins TV-Duell. Dabei nimmt man gerade ihm den Anti-Anpatz-Kurs nicht mehr wirklich ab, das Gelächter bei der Elefantenrunde im Radiokulturhaus zu Beginn dieser Woche zeigt das recht deutlich. Die Umfragen sprechen aber eine andere Sprache, die anderen Parteien liegen weit abgeschlagen hinter Kurz: Das inszenierte Opfertum zieht. Gewaltig. Das Hintergrundgespräch zum noch ungeklärten ÖVP-Hack, bei dem eine Journalistin vom Falter nicht zugelassen wurde, zeigt aber eines deutlich: Unbequem will man es nicht in der neuen Volkspartei. Dann lieber Kuschelkurs mit liebsamen Medien und Ausschluss der kritischen. Man fragt sich wie lange dieses Jonglieren mit der Pressefreiheit noch gut geht. Dass das Aufdecken von Spendenstückelung und Wahlkampfkostenüberschreitung zur journalistischen Pflicht gehört, wird da gerne schnell vergessen.

Auch mit dem freiheitlichen Verständnis einer unabhängigen Presse ist es nicht so weit her. Spitzenkandidat Norbert Hofer fragte den Ö1-Moderator Klaus Webhofer bei der Elefantenrunde für welche Partei er eigentlich kandidiere. Auch hier gilt: bevor es unangenehm wird, diffamiert man lieber die Medien. Der blaue Good-Cop, der sich gern als freundlicher Gegenpart zu Herbert Kickl inszeniert, war plötzlich doch nicht mehr so lieb. Sieht man vom „Mischkultur“-Sager eines Landesrats ab, wird es aber insgesamt um die Einzelfallpartei etwas leiser. Das mag auch daran liegen, dass das Migrationsthema momentan wenig bis kaum Aufmerksamkeit bekommt. Die Klimakrise führt den Wahlkampf an. Herbert Kickls Bemühungen das Schlagwort „Österreich“ im TV-Duell gegen Pamela Rendi-Wagner zu platzieren, wirkten eher verzweifelt als überzeugend.

Führungsanspruch und Zweckpessimismus

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sorgte insgesamt für Überraschung in den letzten Tagen. Nach anfänglichen Inszenierungsproblemen (man erinnere sich an die Grabredenstimmung bei der Ankündigung zum Misstrauensantrag) gewinnt sie an Sicherheit und Überzeugungskraft. Im Fernsehduell ist sie dem als nicht ministrabel geltenden Herbert Kickl klar überlegen. Der vielbetonte Führungsanspruch mag zwar mit Blick auf die Umfragen belächelt werden, doch die rote Frontfrau gibt sich kämpferisch. Die Inszenierungsmaschine beginnt in der Sozialdemokratie spät aber doch zu laufen.

Grünen-Chef Werner Kogler schlägt sich mit viel Schmäh, großen Themen und trotz “Logorrhö” bis jetzt ganz gut. Das Glawischnig-Trauma scheint endgültig überwunden und die Wahlnacht 2017 vergessen zu sein. Trotzdem übt man sich bei der Umweltpartei in Zweckpessimismus: „Zuerst müssen wir mal zurück“, der Wiedereinzug sei lange nicht gegeben, so die Warnung.

NEOS-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger gibt sich kompetent und kühl. Die Partei, die nicht als neoliberal verstanden werden will, setzt auf dessen Strategie: mehr Effizienz, weniger Herzenswärme.

Eventcharakter oder Chance

Man hofft, dass dem Wahlvolk angesichts der Überfülle an Sondersendungen nicht der Atem ausgeht. Denn Politikverdruss ist weder für die Parteien, noch für die Demokratie von Vorteil. Andererseits sorgt das Medienspektakel aber auch für umfassende Information. Die Parteien sollten diese Chance nützen, um ihre Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Das belebt das Interesse an Politik und die Demokratie.

Infos und weiterführende Links

Hier geht’s zu den TV-Diskussionen des ORF
Hier geht’s zur Elefantenrunde vom 3.9.2019