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Dunkle Wände in einem tunnelähnlichen, fensterlosen Raum, eine mit Stickern überladene Bar und die plakative Aufschrift Stairway to Hell. Hier lässt bereits das Ambiente die Vorfreude auf die kommenden Konzerte steigen. 

Im dritten Bezirk, zwei Stockwerke tief unter der Erde, findet man ein Lokal, das schon beim Betreten verrät, welches Genre von Musik gleich über die Bühne gehen wird. Unterbrochen wird dieser Gedankengang jedoch schnell von einer Frage, die nicht so ganz in das Konzept des erwarteten wilden Underground Rock, Metal oder Punk Konzertes passt: „Ein Tisch für zwei?“

Einen Tisch für zwei, bitte – Konzerte unter Covid-19

Doch zur Zeit ist alles anders, oder? Neue Normalität und so. Das gilt natürlich auch für Konzertlocations groß und klein. Von diesen versuchen viele momentan, bestmöglich mit der angespannten Situation und den steigenden Zahlen umzugehen. So auch der Viper Room, die oben beschriebene Location und eines der ersten Lokale, welches nach dem Lockdown seine Türen öffnete. Die gesamte Tanzfläche des Viper Rooms ist mit kleinen Tischen, Sesseln und sogar bequemen Sofas direkt vor der Bühne verstellt. Dadurch finden momentan anstatt der sonst üblichen 300 gedrängten Menschen vor der Bühne gut 100 Platz. Dabei gilt vor dem Einnehmen und beim Verlassen des Platzes natürlich Maskenpflicht. Die Getränke werden serviert und dürfen nur am Platz konsumiert werden; Metalkonzert im Sitzen also, auch mal was Neues.

Wer es dennoch bevorzugt zu stehen, findet aber auch zu diesen Zeiten passende Locations, zum Beispiel die Kapu in Linz. Je nach Konzert und Band wird hier der sonst für 100 Personen ausgelegte Raum mit entweder 35 Sesseln oder knapp 50 Kreuzen gefüllt. Jedes dieser Kreuze zeigt einen Stehplatz an, die Gäste müssen aber während des gesamten Konzertes die Maske aufbehalten. Natürlich gewöhnungsbedürftig, aber dank guter Stimmung und guter Musik spürt man diese bald kaum mehr.

Konzerte Wien Viper Room

Corona Konzerte: Sitzkonzerte im Viper Room © Laura Stempfer

Sofa, Sessel oder doch lieber Kreuz?

Die Maßnahmen für Livekonzerte werden in ihren unterschiedlichsten Variationen umgesetzt. Doch ob im Stehen, Sitzen oder einer Kombination aus beidem, klar ist bei jeder Variante, dass die Zahl der Konzertbesucher stark eingeschränkt werden muss. Sorgen müssen sich die Veranstalter also neben dem Risiko, der nächste Supercluster zu werden, überwiegend um die Einnahmen machen. Besonders, da neben dem Eintritt vor allem der Umsatz an der Bar Geld bringt. Obwohl während der Konzerte konsumiert werden darf, so ist dies meist auf die eine oder andere Art eingeschränkt. Und nach den Konzerten fällt das Feiern flach. Kurzarbeit und Fixkostenzuschuss helfen den Veranstaltern, über die Runden zu kommen. Wie es jedoch nach Auslaufen der Kurzarbeit überhaupt weiter gehen soll, steht noch in den Sternen. „Ich sehe halt generell für die Veranstaltungsbranche echt schwarz, wenn da nicht massive Hilfen kommen“, so die düstere Prognose von Martin Borovnik, Inhaber des Viper Rooms.

Neben der finanziell prekären Lage ist auch immer eine gewisse Unsicherheit vorhanden. Denn komplett ausschließen lassen sich Infektionen nie, so Borovnik weiter. Dem stimmt Domenik Riedl, Geschäftsführer der Kapu, zu: „Man hat immer irgendwo Berührungspunkte. Man versucht einfach, diese zu minimieren und mit ein bisschen Eigenverantwortung zu begleichen“. Das mit der Eigenverantwortung ist so eine Sache, doch bei den Konzerten wurden die Maßnahmen bisher gut eingehalten. Während sowohl die Leitung des Viper Rooms als auch der Kapu klarstellt, dass sie bereit sind, einzuschreiten, sollte die Situation außer Kontrolle geraten, war dies noch nicht notwendig. Diese Tatsache führt Borovnik auch auf die Musikrichtung zurück, die in beiden Locations Überhand hat: „Wir haben in unserer Szene relativ viel Glück, die Leute sind sehr verständnisvoll.“ Hin und wieder muss jemand an den Mundnasenschutz erinnert werden. Doch darüber hinaus freuen sich die Leute meist einfach, wieder auf Konzerte gehen zu können.

Eigenverantwortung, Euphorie, Mundnasenschutz

Diese Freude erkennt man sowohl bei Steh- als auch Sitzkonzerten. Das bewiesen in den letzten Wochen unter anderem Emil Bulls mit ihren Hully Gully Bierzelt Shows. Wie der Name schon sagt, sind die Veranstaltungen einem Bierzelt Frühschoppen nachempfunden, sprich die Fans sitzen auf Biergarnituren vor der Bühne. Ungewohnt für das Genre funktioniert auch dieses Konzept auf seine eigene Art. Und während die versammelte Menge zum Song Euphoria mitsingt, könnte man schon fast denken, die Zeile „Euphoria, damn it I missed you“ wäre alleine für genau diese Situation und die mit Livemusik verbundene Euphorie geschrieben worden.

Dass die Konzerte momentan nicht der Norm entsprechen, ist trotz all der Begeisterung dennoch nicht zu übersehen. „Bei Rockkonzerten wird halt normal auch gekuschelt“, merkt Manuel Dicketmüller von laessig booking an. Er vertritt unter anderem das oberösterreichische Actionpunk-Duo Heckspoiler, welches im September mit ihrem ersten Album Synthetik Athletik auf Tour ging. Stimmung kommt bei den Konzerten schon auf, Kuscheln, wie er es nennt, geht mit den Maßnahmen jedoch gar nicht. Dass man noch Maske trägt, wird schnell zur Nebensache, wenn die Band alles gibt und man selbst lautstark zu ihren genialen Texten mitsingt. Doch es fällt schon schwer, wirklich auf seinem Kreuz stehen zu bleiben.

Konzerte im Stehen Kapu Linz

Corona Konzerte: Besucher bei Heckspoiler live im Kapu © Julian Aron

Corona Konzerte – ohne Kuscheln

Während eines Konzertes einfach auf einer Ledercouch direkt vor der Bühne zu sitzen, wie es im Viper Room derzeit möglich ist, ist gemütlich. Und definitiv eine neue Erfahrung. Wirklich vergleichbar mit Konzerten, bei denen ausgelassen getanzt und gefeiert werden kann, ist jedoch keine der Varianten. Die Einschränkungen und Risiken sind trotz energiegeladener Momente immer im Hinterkopf. „Kompromisse sind in Zeiten wie diesen wohl unumgehbar, aber was soll’s?“, meint Jonas Döhler. Er trat mit seiner Band Unholy Obscurity im September im Escape in Wien auf und plant auch in den kommenden Wochen mehrere Konzerte. Trotz all der Auflagen, denn solange Livekonzerte möglich sind, wird „die Szene weiter unterstützt“. Döhler nennt hier als Beispiel das Kaltenbach Festival 2020, welches trotz Absage durch die Unterstützung von Fans sein Überleben und den Termin 2021 bereit sichern konnte – mithilfe von FVCK C19 Merch.

Die Stimmung in besagter Szene lässt sich wohl in den letzten Monaten mit Frustration und bissigem Überlebenswillen beschreiben. Und immer wieder scheint der erwähnte Zusammenhalt durch. Domenik Riedl sieht es trotz finanzieller Sorgen nicht ein, eine Band für nichts spielen zu lassen. Manuel Dicketmüller spricht zwar darüber, wie frustrierend das Planen von Touren momentan sein kann, aber auch über seine Hoffnung, dass die MusikerInnen diese auch genießen können.

Die neue Normalität von Konzerten ist sowohl für Veranstalter, Musiker und Fans gewöhnungsbedürftig. Dennoch wirkt es, als wären trotz der Maßnahmen alle Beteiligten einfach froh, dass Konzerte im Moment stattfinden können. Und das ist auch gut so, denn auf eine rasche Lösung dank Impfung vertrauen die wenigsten. Was kann stattdessen in den nächsten Monaten kommen? Hoffentlich mit euphorischen Momenten gefüllte Sitz- und Stehkonzerte, Zusammenhalt in der Szene und nachhaltige Lösungen für unsere Veranstaltungsbranche, sodass sie diese Krise überstehen können.

Weiterführende Links

Website Viper Room

Website Kapu

Facebook Heckspoiler

Website laessig booking

Facebook Unholy Obscurity