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Die österreichische Exekutive sorgte im Oktober diesen Jahres für eine breite Diskussion um Rassismus in unserer Gesellschaft. Unfreiwillig und nicht zum ersten Mal. Oft fehlt es jedoch an Beweismaterial oder öffentlicher Aufmerksamkeit. Diesmal wurde das Vorgehen der Polizei per Handyvideo festgehalten und in sozialen Medien verbreitet. Delay Magazine hat sich mit den beiden Gründern der Bewegung #nichtmituns getroffen, um mit ihnen über Alltagsrassismus und persönliche Erfahrungen zu sprechen.

 

Die Chronik: Eine kleine Gruppe befreundeter junger Männer wurde nachmittags in einem öffentlichen Park in Wien von der Polizei kontrolliert. Ob diese Ausweiskontrolle berechtigt war oder nicht, das ist hierzulande die Streitfrage. Es liegt der Verdacht nahe, dass die Amtshandlung rassistisch motiviert war und sich die Rapper aufgrund ihrer Hautfarbe ausweisen mussten. Die Wiener Polizei hingegen sieht nach wie vor keine Fehler im Vorgehen der Beamten. Ab und zu fällt der Begriff „interne Untersuchung“ von offizieller Seite. In der Öffentlichkeit stellt sich indes die Frage, ob unsere Polizei ein Rassismusproblem hat. Unser Redakteur Fero Zboray kam selber erst mit zehn Jahren nach Wien und machte als Jugendlicher Erfahrungen mit Polizeiwillkür. Hier kannst du sein Interview mit T-Ser und Sidney nachlesen.

Schnitzel oder Kaiserschmarrn?

T-Ser: Definitiv Kaiserschmarrn.

Sidney: Ich kann mich nicht entscheiden.

T-Ser: Für mich ist es leicht, da ich Vegetarier bin und Kaiserschmarrn mein Lieblingsgericht ist. (lacht)

Sidney: Schnitzel ist der Shit und Kaiserschmarrn ist der Shit. Aber ich entscheide mich für Schnitzel, denn der Kaiserschmarrn ist meisten mit Rosinen und ich mag keine Rosinen.

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T-Ser und Sidney im Gespräch mit Fero

Ich selber bin in Wien als Migrant aufgewachsen und habe das Fremdsein oft gespürt. Aber ich sage mir, Gott sei Dank lebe ich in Wien und nicht irgendwo am Land. Wie war das für dich in Salzburg (T-Ser) aufzuwachsen?

T-Ser: Ehrlich gesagt schon schlimm. Aber ich bin froh wie ich aufgewachsen bin, denn es hat mich irgendwie abgehärtet und ich empfinde es so, als wäre mein Leben eine Schule für die ganze Situation gewesen, in der wir uns gerade befinden.

Wie war das für dich in Wien Sidney? Wo bist du aufgewachsen?

Sidney: Im 15. Bezirk (lacht). Bei mir war es definitiv nicht so schlimm wie beim T-Ser. Kaum rassistische Vorfälle  erlebt oder wahrgenommen. Da gab es sicher welche, aber nicht so direkt – weil ich so mit  dem Thema noch nicht vertraut war – dass dir Leute bösartig etwas tun wollen, nur aufgrund deiner Hautfarbe. Erst mit 16 habe ich es immer mehr bewusst wahrgenommen und mir dann auch gedacht, dass gewisse Aussagen oder Handlungen aus meiner Kindheit und Vergangenheit so und so gemeint waren.

Wann habt ihr zum ersten Mal Rassismus gespürt oder ein prägendes Erlebnis gehabt?

T-Ser: Es war nicht das erste Mal, weil es schon im Kindergarten angefangen hat, dass andere Kinder „Neger“ und anderen Scheiß gesagt haben, aber in der Volksschule ist es dann richtig losgegangen. Ich glaube ich war acht oder neun Jahre alt, wir waren mit Freunden im Skatepark. Da ist ein Jugendlicher vorbeigekommen, der war 16-17 damals, ein Bauernschädel-Nazi. Ich und mein Bruder waren dort und noch paar andere Jugendliche, er hat einfach angefangen uns als Scheiß- beziehungsweise Drecks-Negerkinder zu beschimpfen. Wir haben damals schon versucht irgendwie verbal dagegen zu halten. Ich kann mich erinnern, mein älterer Bruder hat mehr geredet, er war zehn oder elf, es war traumatisierend – vor den ganzen anderen Kindern. Er hat dann gemeint “Holt euren Scheiß-Affenvater”.

T-Ser

T-Ser

Ich wurde auch mit 14 Jahren von der Polizei am Abend ohne Grund aufgehalten und aufgefordert, mich auszuweisen. Ich habe nach der  Kontrolle geweint, weil ich Angst hatte. Ein halbes Jahr später hatte ich noch immer ein bedrückendes Gefühl, wenn ich ein Polizeiauto gesehen habe. Was macht das mit einem Menschen? Wie geht ihr mit solchen Situationen um?

Sidney: Die Leuten reden immer nur von dem, was sie kennen, sie können sich nicht in andere hineinversetzen und denken nicht darüber hinaus. Das kann nicht wirklich so schlimm sein – weil sie es nicht erlebt haben. Sie glauben, was sie wahrnehmen, ist die Realität.

T-Ser: Ich bin mit Polizeiwillkür aufgewachsen. Mein Vater kam in Abschiebehaft, weil die Regierung meinte, er wäre integrationsunwillig. Die Cops sind zu uns nach Hause gekommen, haben das Haus observiert, die Tür eingetreten und die Fenster eingeschlagen. Von Erzählungen her war ich als Kind sehr vaterfixiert und nachdem die Polizei meinen Vater verhaftet und mitgenommen hat, habe ich für zwei Jahre mit niemandem geredet. Wir hatten immer wieder schwarze Familienfreunde zu Besuch bei uns und die Nachbarn haben regelmäßig die Polizei gerufen. Ich bin mit der Polizeipräsenz aufgewachsen.

Wo seht ihr euch in zehn Jahren?

Sidney: On the top.

T-Ser: Jetzt gerade starten wir eine Revolution in Österreich. Die ziehen wir durch bis es keine Diskriminierung mehr gibt und alle Menschen gleich behandelt werden. Dann gehe ich nach Afrika, bis dahin habe ich meine Häuser in Ghana und Nigeria gekauft und starte dort eine Revolution für  Gleichberechtigung.

Was haltet ihr von diesem Gedanken: Jeder von uns trägt eine Verantwortung, jeder sollte einen Beitrag zur Verbesserung unserer Gesellschaft leisten. Es gibt viele Erwartungshaltungen, aber ich denke, dass es in kleinen Schritten passiert und nicht durch ein großes Wunder.

Sidney: Wichtig ist, dass man konstant ist, dass man es immer wieder macht. Es ist sehr wichtig was dein Mindset ist – weil dein Mindset verändert deine Energie, geht aufs Ganze über und schlussendlich ist alles Energie.

T-Ser: Ich glaube an ein kollektives Unterbewusstsein und eine kollektive Crowd. Jede deiner Aktionen kann sich über deine Vorstellungskraft ausbreiten und Auswirkungen haben. Allgemein ist es schwierig als einzelner Mensch die ganze Welt zu verändern. Aber ich denke, wenn jeder in seinem Umfeld, seinem Freundeskreis, seiner Familie anfängt, kleine Dinge zu verändern, dann verändert sich die Welt auf jeden Fall.

T-Ser und Sidney

T-Ser und Sidney

Viele wollen Veränderung, aber sie wollen sich nicht selbst ändern. Sie zeigen mit dem Finger auf andere, weil es leichter ist als sich selbst zu verändern. Das ist eine der schwersten Aufgaben: sich selbst zu ändern und an sich zu arbeiten. Aber ich habe das Gefühl, dass die junge Generation anders damit umgeht.

T-Ser: Ich glaube, das Internet hat einfach extrem viel verändert. Es gibt extrem viele Menschen – gerade auch in der Szene, in der wir uns bewegen (Red: Hip Hop Szene) – und das Umfeld, so dass jeder selbstständig wird durch das Internet, dass sich jeder selbst verwirklichen kann, sich selbst erhalten und sein Leben finanzieren kann. Nicht unbedingt nur im Internet, aber auch dadurch seine Dienstleistungen und Produkte anbieten kann. Es hat vielen die Augen geöffnet und vielen Menschen Möglichkeiten aufgezeigt.

Daryl Davis, ein schwarzer Musiker in den USA, hat Kontakt zum KKK gesucht. Er hat es geschafft, hohe Mitglieder zu motivieren, aus dem Klan auszusteigen. Sein Ansatz: „Warum hasst du mich, wenn du mich nicht kennst?“ (Doku auf Netflix) Meine Frage ist: bringt es was mit Rassisten zu reden beziehungsweise hat jeder das Recht gehört zu werden?

T-Ser: Ich habe den Polizisten, die uns am Sonntag im Park aufgehalten und eine halbe Stunde lang belästigt haben, nachdem die Amtshandlung beendet war, die uns einfach aus diesem Park rausekeln wollten, angeboten: Wenn ihr wollt setzt euch dazu und wir können miteinander reden, wir  müssen uns nicht „abfucken“, wir haben nichts gegen euch. Setzt euch her und wir chillen, aber wenn ihr euch nicht dazu setzen und mit uns sein wollt, dann bitte geht weg. Aber sie wollten uns nicht in Ruhe lassen.

Sidney:  An und für sich sollte jeder gehört werden. Viele haben ihre Meinung, was auch gut ist, aber sie sind engstirnig und lassen nicht mit sich reden und viele sind nicht offen für anderen Input. Man sollte bereit sein, Verbesserungen anzunehmen.

Die Netflix Doku gab mir irgendwie Hoffnung.

Sidney: Ja, auf jeden Fall.

T-Ser: Weil es keinen Grund gibt, Leute auf Grund ihrer Hautfarbe oder Herkunft zu hassen.

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Was wünscht ihr euch für Österreich für die Zukunft?

Sidney: Ein nicht so rassistisches System, beziehungsweise ein System, das mit allen Hautfarben, Religionen und Weltanschauungen funktioniert.

T-Ser: Ich sehe so viel Potenzial in Österreich und ich wünsche mir, dass Österreich anfängt, dieses Potenzial zu nutzen und sich selbst als einen multi-ethnischen Staat zu akzeptieren und auch unsere Erde als einen multi-ethnischen Platz sieht, wo wir alle Platz haben für unser Aussehen und unsere Gedanken.

Stefanie Sargnagel hat auf Facebook zu eurem Vorfall folgendes gepostet: „Wir sollten an die Polizeiausbildung mindestens den Anspruch haben, wie an die Ausbildung von SozialarbeiterInnen.”

T-Ser: Vier Tage vor dem Zwischenfall wurde ich in einem Podcast gefragt was in Österreich geändert gehört und im Endeffekt ist es wie immer die Bildung. Polizisten müssen besser ausgebildet werden, genauso wie Lehrer, sie müssen drauf vorbereitet werden, dass wir in einem multi-ethnischen Staat leben, dass Menschen aus aller Welt hier leben und auch her kommen können und einfach darauf vorbereitet werden mit diesen Menschen zu interagieren.

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Habt ihr noch was auf dem Herzen, das ihr loswerden wollt?

T-Ser: Ich will nicht, dass es so rüber kommt, als ob wir darum betteln würden, anerkannt oder respektiert zu werden. Sondern ich will zu meinen Leuten sprechen, die unterdrückt werden, damit sie aufhören, sich das gefallen zu lassen, weil Rechte muss man sich nehmen, Rechte schenkt einem niemand. Mit unserem „nicht mit uns“ Movement will ich erreichen, dass jeder Mensch weiß, dass wir uns das nicht mehr gefallen lassen und dass wir unsere eigenen Mittel haben, um dagegen zu kämpfen. Die Polizei kann uns nicht unterkriegen. Ich will, dass die Leute für ihre eigene Rechte aufstehen und einstehen. Wenn du dich ungerecht behandelt fühlst, dann ändere was daran.

Sidney:  Wir versuchen das Beste aus der Situation zu machen und wir wollen, dass es den Leuten bewusst wird, dass Ungerechtigkeiten wie Rassismus große Auswirkungen haben können. Zum Beispiel wenn sich ein Mann ungerecht behandelt fühlt, dann kann er die Wut in sich hineinfressen oder er lässt sie an seiner Familie oder seinem Umfeld aus und das kann weitere Schäden anrichten. Zu viele Leute glauben, dass es in Österreich so was wie Racial Profiling nicht gibt und andere versuchen, das runter zu spielen. Das wollen wir ändern.

Wir danken euch für das Gespräch!