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Pöbel MC war Headliner beim diesjährigen Freekout Festival in Wolkersdorf bei Wien. Aktuell sorgt sein Anfang 2019 erschienenes Pöbel Sports Tape für klatschige Furore im Deutschrap und darüber hinaus. Wir haben ihn klassisch wienerisch an einem Würstelstand getroffen und interviewt. 

Weißt du, was der Wiener Schmäh ist?   

Ich glaube das ist eine wientypische Mundart. Die diese abfällige Konnotation, die manchmal Leute da rein deuten, zum Ausdruck bringen soll. So ne Art charakteristische Art zu intonieren, oder?

Ich dachte mir nämlich in deinen Texten, dass man da auch einen gewissen Schmäh findet. Also ne Mischung aus einem Augenzwinkern und einer Beleidigung, wie es mir ein Altwiener mal erklärt hat. Wie würdest du denn deinen Schmäh definieren?

Dass ich eine Ambivalenz in den Aussagen, eben wie es der Schmäh auch von mir aus betreibt, zwischen Zustimmung und Distanz ausdrücken möchte. Das schafft man glaube ich, indem man A: im Text auch dialektisch arbeitet, Seite und Gegenseite aufzeigt, und B: ironisiert und übersteigert. So ist vielleicht nicht immer ganz klar, wie viel Anteil an der Aussage ironisch ist. Dadurch entsteht Reibung und das kann interessant sein. 

Du bist ja gebürtiger Rostocker, ja?

Genau.

Wie sehr denkst du, hat sich deine Jugend, vielleicht auch im Wissen über rechtsextreme Anschläge wie in Rostock-Lichtenhagen, auf deine Texte und die Art, wie du Musik machst, ausgewirkt?

Also ich hab 23 Jahre lang in Rostock gelebt und bin als Rostocker oft mit dem rechtsradikalen Image Rostocks konfrontiert worden. Das passt aber eigentlich erst Mal nicht direkt zu meinen Sozialisationserfahrungen im heranwachsenden Alter. Weil es das in der Rostocker Innenstadt, in der KTV (Kröpeliner Tor Vorstadt) nicht so offen gab. Klar, es gab halt auch Faschos und indirekt hat man das einiges mitbekommen. Aber das Setting, dass einige Leute auch gerade im ländlichen Raum haben mit täglichen Übergriffen und Auseinandersetzungen , dass war da nicht der Fall. Trotzdem haben wir uns immer unserem Grundgerechtigkeitsempfinden nach für ein vielfältiges und eben gerechtes Miteinander eingesetzt und versuchen das musikalisch auch weiterzutragen. Weil das gar keine besondere politische Meinung, sondern für mich einfach eine Art von Menschlichkeitsverständnis ist. 

Speziell in deinen Texten ist es ja nicht so Larifari, sondern es ist ja wirklich dagegen. Deswegen wollte ich fragen, was das für einen Einfluss hatte.

Es ist für mich einfach ein emotionales Thema, dass Menschen explizit von ungerechten, herabwürdigenden Haltungen betroffen sind. Meine vermeintlich politische Botschaft ist also eher menschlich motiviert und nicht aus einem übergeordneten links sozialisatorischen Hintergrund. Ich bin in keinem AJZ (Autonomes Jugend Zentrum) groß geworden. Meine Pubertät hab ich vor allem mit Metal-Atzen im Proberaum am Schlaugzeug zugebracht, wo alle aber auch eher immer gemacht haben, worauf sie Lust hatten, zum Glück also auch eine große stilistische Toleranz bestand. Das war zum Beispiel auch für DJ Flexscheibe so, den ich schon ziemlich lange kenne. Wir haben eine solide metallurgische Grundausbildung durchlaufen ohne anderweitig musikalisch zu veröden!

Wie geschlossen oder abgegrenzt findest du die Musikszene oder gerade auch die Rapszene in Berlin, in der du dich bewegst?

Charakteristisch ist, dass alle da ein selbstbewusstes Selbstverständnis haben und sich “der Ur-Berliner” als besondere Daseinsform begreift. Insofern ist das schon was abgegrenztes. Allerdings gerade die Leute aus dem Upstruct-Umfeld sind, wenn man auf sie zugeht und Ihnen respektvoll begegnet, wiederum sehr zugewandt und offen. Insofern ist dieser Berliner Habitus keine Abgehobenheit, sondern vielleicht so ne Art von Berliner Schmäh dann halt erst Mal zu sagen: “Jaja, ihr könnt alle kommen und machen, aber letztendlich wissen wir, wie es am Besten geht.” Nur das sich die Leute auch vom Gegenteil überzeugen lassen.

Was ich gerade interessant finde in der Musik, ist, dass das künstlerische Aufbegehren à la Ton Steine Scherben oder Punk von den Ärzten sich ein bisschen in den Rap verschoben hat. Warum denkst du, ist das so oder empfindest du das nicht so?

Naja, das ist im Rap eigentlich nichts Neues. Aber ja, ich empfinde das bezogen auf die jüngere Entwicklung ähnlich. Ich glaube, dass ist eine simultane Entwicklung zu der gesamtgesellschaftlichen Politisierung, die stattfindet. Es gibt wieder mehr politische Kämpfe. Jugendliche sind heute einfach stärker politisiert als vor 10 Jahren Und das macht sich natürlich auch im Rap bemerkbar. Und ich glaube, dass zusätzlich durch diesen Rap Hype, der vielleicht jetzt auch wieder ein bisschen abflacht, noch mehr Leute auf diese Musikrichtung gestoßen sind. Wenn ich mir irgendwelche alten Haftbefehl-Parts reinziehe, dann spricht er ja von Verhältnissen, die in einem politischen Kontext überhaupt erst entstanden sind und mit seiner Rolle als Migrant zu tun haben.

Jetzt kommt vielleicht ne komische Frage, aber kennst du Dave Chappelle?

Ja.

Jerry Seinfeld hat mal über Dave Chappelle gesagt, dass er der Beste darin ist, Laser Beams zu dodgen. Das heißt einfach, dass er kontroverse Aussagen macht, aber es immer schafft, es so zu erklären, dass die Leute es verstehen und ihm nicht so auslegen können, dass er auf ne gewisse Art rassistisch oder sonstwie gewesen ist. Ok, das ist jetzt Comedy.

Die meistens seiner Sketches basieren ja auf diesem Konzept. Wobei ich das teilweise schwierig finde. Nur weil du in einer von Diskriminierung betroffenen Gruppe bist, heißt das ja nicht zwangsläufig, dass du derjenige bist, der davon direkt betroffen ist.

Aber da, finde ich, hat das Feld der Comedy und das Feld von Battlerap etwas gemeinsam. Natürlich gibts auch andere Grenzen und ich finde auch nicht, dass man krasse Aussagen einfach tätigen und dann wieder zurücknehmen kann. Aber du machst ja auch kontroverse Sachen, Beleidigungen oder sonstwas, da fühlt sich schon mal jemand angegriffen, oder? Aber glaubst du, dass du die Laser Beams so richtig dodgst?

Ich glaube, das kommt auf den jeweiligen Laser Beam an. Da musst du jetzt ins Detail gehen und sagen, um welchen Laser Beam es genau geht und ich würde vielleicht versuchen ihn zu dodgen oder auch nicht…

Es geht glaub ich viel in deinen Texten um Leute, die sagen, sie kämpfen für ein bestimmtes Thema, aber das machen sie eigentlich gar nicht, sondern sie wollen eigentlich nur ihr eigenes Ego steigern damit. Und machen dann Sachen, die dem Ganzen, für das sie eigentlich eintreten wollen, einfach nicht zuträglich sind. Und solche Leute würdest du schon offenden, aber du erklärst dann eben, dass man das nicht sein sollte. Das finde ich den Laserbeam Dodge.

Da ist es aber eher eine Reaktion auf einen Laserbeam sozusagen von der anderen Seite. Menschen, die superdogmatisch daherkommen und eine sehr stark vorverurteilende Position auch aus linker Sozialisation heraus praktizieren, schreiben manchmal auch Personen, die sich Mühe geben und für irgendwelche Dinge interessieren, direkt ne negative Rolle zu, ohne Ihnen eine Chance zu geben, an einem bestimmten Entwicklungspunkt erst Mal anzukommen. Was ich nicht akzeptabel finde. Wo ich dann versuche durch Provokation die Leute mit ihrem eigenen Fehlverhalten zu konfrontieren. Wie zum Beispiel bei “Autoritäres Jugenzentrum” (Song). “Wo ist die Grauzone zwischen haltungslos und spassbefreit?” Die wird zum Teil je nach Setting immer wieder neu verhandelt werden, da macht jeder Fehler. Ein Großteil der Kritik, die ich vortrage, ist eine Reflektion meiner Selbst und Kritik an mir selbst letztendlich. Ich kann diese Kritik ja auch deswegen formulieren, weil ich sie an mir selbst empfinde und sehe. Letztlich sollte man emanzipatorische Kämpfe auf allen Ebenen führen, aber darf dabei nicht vergessen, dass es übergeordnete Ziele gibt, für die man sich vereinen kann.

Welche neuen Gedankenanstöße konntest du durch das Touren durch verschiedene Landesteile Deutschlands und jetzt auch Österreichs bekommen? Weil ich seh da immer sehr große Unterschiede der Kulturen in komplett allen 16 Bundesländern und auch in Österreich in allen 9 Bundesländern.

Erstmal hab ich noch mehr Einblick in alternative Strukturen, alternative Kulturorganisation bekommen, was ich definitiv feier. Was die Leute da zum Teil auf sich nehmen und unter was für Umständen sie versuchen, Festivals zu realisieren, Leute zu mobilisieren und sich zu positionieren, hat auf jeden fall sehr viel Anerkennung verdient! Ansonsten werden wir mit jedem gelungenen Auftritt immer ein bisschen glücklicher und fröhlicher, dass wir das machen können und lernen halt viele nette Menschen kennen. Dadurch sehen wir die Welt, bei all der negativen Berichterstattung und den ekligen politischen Tendenzen, trotzdem aus unserer Perspektive auch zunehmend wieder positiv. Weil wir z.B. hier nach Wien kommen können, uns vorher nett unterhalten, vorher in Leipzig waren, Freunde treffen usw. Das ist einfach etwas sehr Schönes.

Zur Musik: Wie hast du dich im Verlauf deiner Releases entwickelt und wo geht’s noch hin?

Ich hab mich überhaupt erstmal glaub ich entwickelt (lacht). Weil ich hab 2015 damit angefangen, dass überhaupt zu machen und da hat noch gar nicht viel Raffinesse dahinter gesteckt. Das gabs ein paar Beats und ich fands halt lustig, Texte zu schreiben und ich habe das erste Mal gerappt. Jetzt hab ich vielleicht ein besseres Gefühl dafür, wie ein Song zu konzipieren ist, was ich an thematischen Einflüssen interessant finde. Durch das Pöbel Sports Tape habe ich mein Klangspektrum ein bisschen erweitert mit ein paar moderneren Beats. Das ist mir auch sehr sehr wichtig für die Zukunft, weil ich diverse Trapsongs privat auch feier und auf keinen Fall 10 Boom Bap Releases mit ein und demselben Sound hintereinander machen will, sondern experimentierfreudig sein möchte, um mich selbst und meine Musik immer wieder neu wahrnehmen und hören zu können.

Diese künstlerische Freiheit auf dieser Ebene ist mir wichtig. Ich will mich nicht auf ein eingeengtes Soundbild reduzieren. Das entspricht auch nicht meiner Art, Musik zu hören und nicht dem, was mir Spaß macht am Musik machen. Wenn ich gerade einen 93-BPM-Oldschool-90s-Knister-Boom-Bap-Track mit zwei stabilen 16ern und irgend einer donnerigen Hook gemacht habe, dann habe ich das Gefühl, für die nächsten drei Tracks möchte ich das erstmal nicht mehr machen. Ich würde es einfach gern schaffen können, dass ich, mit mir selbst und meinen Inhalten und meiner Persönlichkeit, die ja die Konstanten in dem Ganzen sind, in musikalisch unterschiedlichen Gefilden Sachen machen kann, die Spaß machen und reinhauen. Und die vor allen Dingen, und das ist eine zweite Sache, die mir sehr wichtig ist und das hab ich beim Pöbel Sports Tape schon besser gemacht, halt live gut Energie rüberbringen.

Vorletzte Frage: Wieviel ist wahr an Gelebte Weisheiten Part1 und wo ist Part 2?

Fast alles. Part 2 kommt noch. Auf jeden Fall. Das ist deswegen Part 1, weil es fortgesetzt werden wird.

Letzte Frage: Was können wir von dir in Nächster Zeit erwarten, Releases, Touren?

Das nächste Release ist angepeilt für Anfang des nächsten Jahres, aber mal kucken, wie es sich so übers Jahr verhält. Im Sommer werde ich noch ein paar Festivalgigs spielen und im Herbst eine Tour oder einige Weekender im eher westlichen Raum machen (lacht).

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