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Wenn sich Künstler politisch äußern, erregen sie Aufmerksamkeit. Zwei besonders öffentlichkeitswirksame Musiker sind der Schlagersänger Andreas Gabalier und der Perkussionist Martin Grubinger. Was die österreichischen Musikgranden vereint und was sie voneinander unterscheidet.

Der 1. Mai und der „Faschismus“

Im Mai dieses Jahres war es einmal wieder laut um Andreas Gabalier. Als die Grazer SPÖ wegen seines fraglichen Frauenbildes seine Musik auf Parteiveranstaltungen für unerwünscht erklärte, schlug der Schlagerstar zurück. „Faschismus in reinster Form“, sei das Vorgehen der Partei. Rechtsextreme Portale wie Info-DIREKT waren empört und solidarisierten sich mit Gabalier. Auch der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärte, man solle Gabalier „frei arbeiten lassen“.

Zwei Tage nach dem Eklat äußerte sich der Schlagwerker Martin Grubinger in seiner Kolumne Schlagfertig in der Kronen Zeitung. Er forderte eine bessere Diskussionskultur und wünschte sich eine weniger skandalisierte Debatte. In einem späteren Artikel kritisierte er jedoch auch klar die Verwendung des Faschismus-Begriffs. Gabalier verharmlose durch seinen Sager das Leid all jener, die unter dem tatsächlichen Faschismus leiden mussten. Dieser kleine Eklat zeigt, wie sich die zwei Musiker medial äußern. Während die PR des selbsternannten „Volks-Rock n‘ Rollers“ die Polarisierung sucht, bemüht Grubinger den Dialog und die Verständigung.

Right Wing Romance

Von Ex-Vizekanzler H.C. Strache wird Gabalier für seine zynischen Anti-Kopftuch Kommentare gefeiert. Warum der rechte Rand so gut auf Gabalier zu sprechen ist, scheint klar. Ein Blick in sein Schaffen offenbart ein Potpourri aus Nationalromantik und ultrakonservativem Gesellschaftsverständnis. Da wird Holzscheitelknien romantisch verklärt und Frauen fast schon in klassischer HipHop-Manier zu Sexobjekten degradiert. Gabalier betreibt diese Skandalisierung zum Teil sicher bewusst. Auf einem Albumcover zeigt sich der Schlagersänger in einer einem Hakenkreuz ähnelnden Pose. Von eisernen Kreuzen und Kameradschaft als Ideal hört man in seinen Texten. Was ihn und die rechte Ideologie am meisten vereint ist jedoch das WIR. Besonders in seinen Live-Shows beschwört Gabalier eine homogene Gruppe, die alle Eigenschaften teilt. Genauso wie das Rechtspopulisten tun, erschafft er ein Volk, dessen Rock n‘ Roller er ist.

Der Schlagermusiker ist außerdem ein ausgewachsener Social-Media Profi. Auf seiner Facebookpage mit 800.000 Likes postet er beinahe täglich. Er gibt sich dort als bodenständiger Freund seiner Community. Der Sänger macht sich zum perfekten Schwiegersohn, ohne einen gewissen Bad Boy- Touch zu verlieren. Gabalier erreicht die Massen und lässt es sich nicht nehmen, diesen lautstark seine Meinung zu sagen. Bei einem Konzert in der Wiener Stadthalle pöbelte er gegen Journalisten des Falter und des Standard. Als ihn daraufhin der Chefredakteur des Falter Florian Klenk zu einer Diskussion einlud, reagierte Gabalier schlichtweg nicht. Seine eigenen Darstellungen reichten ihm.

Hochkultur, Blasmusik und Grant

Auch der Schlagwerkvirtuose Martin Grubinger kann wütend sein. Immer wieder empört er sich in seiner Kolumne über die Verrohung der politischen Debatte. Sein Lieblings-Boxsack: Ungerechtigkeit. Etwa die Politik der letzten Bundesregierung gab ihm Anlass für den einen oder anderen Kommentar. Dabei ist ihm offensichtlich ein Mantra besonders wichtig: Streiten ja, aber mit allen reden. Das war nicht immer so. Grubinger sagte noch vor einigen Jahren Konzerte in Kärnten ab um gegen BZÖ und FPÖ zu protestieren. Heute würde er das nicht mehr machen, schreibt der Schlagwerker in seiner Kolumne. Trotz seiner teils vehementen Kritik setzt der österreichische Klassik Exportschlager auf Dialog. So bot er zuletzt der FPÖ Steiermark nach einer hitzigen Debatte auf Twitter an, ein Konzert für sie zu geben.

Auch Grubinger setzt sich mit Identität und Zusammengehörigkeit auseinander.
In einem Interview bei einer Musikvermittlungsveranstaltung sagte Grubinger: „Wenn wir gemeinsam Musik machen sind wir Freunde.“ Der Schlagwerker schafft so, ähnlich wie Gabalier ein WIR. Seine Version dieses Begriffes stützt sich jedoch nicht auf einen Volksbegriff. Es ist ein offenes WIR, das sich durch Grubingers Verständnis von Musik als einer universellen Sprache aller Menschen erklären lässt. Auch sein Alltag verpflichtet ihn in gewisser Weise zu einem solchen Denken. Es fällt schwer sich einen Virtuosen vorzustellen, der montags ein Avantgardewerk uraufführt, mittwochs mit einer Blaskapelle spielt und freitags mit seiner eigenen Formation eine Mischung aus Funk, Metal und Marching-Music performt und dabei kein Kosmopolit wird.

Trotzdem schafft es Grubinger ähnlich wie Gabalier einen gewissen Grass-Roots-Charme zu verbreiten. Primär gelingt ihm das durch seine kindliche Freude an der Musik. In seinen Performances grinst er unentwegt. Seine Bühnenenergie entlockt sogar dem eher konservativen Wiener Konzertpublikum den nickenden Ansatz eines Headbangs. Grubinger steht mit seiner Musik, wie auch mit seinen öffentlichen Äußerungen, für Dialogbereitschaft mit jedem, der auch mit ihm reden möchte.

Leidenschaft und  Bruchlinien

Das größte offensichtliche Bindeglied zwischen Gabalier und Grubinger stellt ihre Liebe zur Musik dar. Nicht anders lässt sich ihr Fleiß und ihre Abend für Abend wiederholte Bühnenpräsenz erklären. Grubinger verliert bei einer Performance etwa drei Kilo Körpergewicht. Bei Gabalier wird es wohl nicht viel weniger sein. Die Öffentlichkeit die den beiden Musikern dadurch zugänglich wird, wissen sie zu nutzen. Beide betonen auch immer wieder wie wichtig es ist, dass sich Künstler offen politisch äußern dürfen. Auch haben beide einen starken Bezug zu Tradition. Hier jedoch enden die Gemeinsamkeiten.

Besonders divergieren die Meinungen der beiden Stars bei der Frage nach der Identität. Gabalier sucht Gemeinsamkeiten in ultrakonservativem Familienverständnis und nationalistischer Traditionsromantik. Grubinger steht für Weltbürgertum. Auch Diskussionskultur sehen die beiden offensichtlich sehr unterschiedlich.

Gabalier und Grubinger stehen bildhaft für die Polarisierung unserer Gesellschaft. Europäisch progressiv und nationalkonservativ stehen einander gegenüber. Tiefer noch prallen zwei Entwürfe aneinander, die sich quer durch alle politischen Spektren ziehen. Auf der einen Seite heißt es: „Wir gegen die anderen“. Dem gegenüber: „Streiten ja, aber mit allen reden“.

Infos und weiterführende Links

Martin Grubingers Kronen-Zeitung Kolumne