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Am 6.6 releaste Def Ill sein drittes Solo-Studioalbum als Digital LP. Das Werk hört auf den Namen Lobotomie und hat schon einiges an Presseaufmerksamkeit und Feedback bekommen. Öfters konnte man auch schon die Phrase „stärkstes Release des Jahres“ hören und das, obwohl wir uns erst in der Mitte des Jahres befinden. Ich  wollte mir selbst ein Bild davon machen. Mit etwas Verzögerung habe ich mir die LP von einem der interessantesten und produktivsten MCs und Producers Österreichs angeschaut. Eines sei bereits vorweg gesagt: Was uns hier künstlerisch als Gesamtwerk aufgetischt wurde, rechtfertig absolut die Lobeshymnen.

Def Ill ist ein Meister seines Fachs

Es ist wohl unumstritten, dass Def Ill in Österreich zu den fähigsten und produktivsten MCs zählt. Er präsentiert ein Bollwerk an Energie und genießt sowohl als One Man Army als Def Ill, als auch mit seinem Alter Ego „Ruffain Rugged“ unter den Künstlern großen Respekt. Kryptisch, direkt, oft hart bis manchmal verstörend – Def Ill ist ein Rapper, der wie sonst kein anderer sowohl für rekordverdächtige Silbendarbietung (Def Ill – Austrias fastest MC – #Top30), als auch für Message in seiner Musik steht. Das Ganze verpackt er für gewöhnlich in einen stilsicheren Mundartmantel. Durch seine authentische Haltung und den oftmals kritischen Inhalt werden manche seiner Releases gelegentlich nicht genug gewürdigt, da sie in den Polit-Sektor abgeschoben werden. In einer Welt, die von Klickzahlen und Konsum geprägt ist, ist manchmal zu wenig Platz für gute, ehrliche Kunst. Und da Österreich besonders klein ist, ist hier manchmal besonders wenig Platz.

©2019 Def Ill

Umso gespannter wartete ich diesmal auf das angekündigte Album Lobotomie. Ein weiterer Fakt, der mein Interesse diesmal besonders geweckt hatte, war die angekündigte Zusammenarbeit zwischen dem Linzer Rapper und dem Wiener Label Duzz Down San. Würde das vielleicht einen Reichweitenkatalysator mit sich bringen? Promo? Optische Darstellung? Videos? Meine Vorahnung bestätigte sich, die Handschrift des Labels sollte sich später noch bei vielen Details deutlich zeigen.

Am 6.6.2020  droppte Lobotomie und unsere wenigen Hip-Hop-Medien stürzten sich darauf. Das Interesse war groß, das konnte man spüren. Einer der wenigen Vorteile einer kleinen Szene ist folgender: Man merkt ohne Verzögerung jeden Impact. Und diesmal war der Wumms besonders groß!

Konzipiert als Endlosloop mit umgedrehtem Intro und Outro, ziehen sich die menschliche Psyche, gesellschaftliche Zustände und Experimente am Menschen als Überthemen durch die 20 Tracks – quasi ein Psychothriller in Rapform.

The Message – “Ich bin besessen” Def Ill – Interview

Mal ein Album mit richtiger Promo-Phase

Spulen wir zum Anfang zurück, denn diesmal gab es eine gut angekündigte Promophase, das war das Erste, was nach der Ankündigung auffiel. Es folgten zwei knackige Video Singles, eine Dritte wurde dann pünktlich zum Album Release dazugepackt. Vorab gab es die Tracks Outro und Panamapaperstreet feat. P.tah. Ich hatte den Eindruck, dass beide für österreichische Verhältnisse gute Reichweiten erzielt hatten und war erleichtert, dass in meinem Hip-Hop-affinen Umfeld jeder wusste, dass Def Ill demnächst ein Album droppt, was in der Vergangenheit manchmal durch Blitz-Releases oder Kurzankündigungen oft untergegangen war. Die  Ösi Hip-Hop Community war gewarnt, es wird geschossen.

I hob geschworen i bin da dopste und i hoit mei Versprechen
glaubts ihr kennts Rap vergwaltigen, verletzen und wir woin sich net rächen

Betrachten wir mal die harten Fakten der Lobotomie….

Der Long-Player ist 20 Tracks stark – keine wirklich große Überraschung. Bei Def Ill ist eine üppige Trackdichte bei Releases oftmals der Fall. Fast alle Beats stammen aus der eigenen Feder des Linzers. Einzelne Ausnahmen stellen dabei die Tracks Do sowie Riot dar, beide von Digga Mindz produziert.  Der Beat für die Nummer Besser ols nix stammte von Stixx, und zu guter Letzt der Beat für die Tracknummer 12 Olle schuid (feat. Monobrother) kam von Anavondeondan.

Def Ill Lobotomie

Def Ill Lobotomie © 2019 Def Ill

Für die Cuts waren hauptsächlich Funky P sowie Def Illl himself verantwortlich. Hierbei einzige Ausnahme: Bei Next Level RMX kamen diese von Texta DJ, DJ Dan. Auch beim Abmischen und Arrangieren hatte Def Ill seine eigenen Finger im Spiel, Unterstützung gab es von Brother Louis. Für das gesamte Mastering waren die Menschen von gcound.com verantwortlich. Zudem enthält das Album ein verstecktes Rätsel, welches bei richtiger Lösung dazu führt, dass man den Link zu einer weiteren Bonus-EP erhält. Wie ich aus den Sozialen Medien mitbekommen habe, wurde das Rätsel bereits von MDK (MachdaKopf ), seines Zeichens Grazer Rapper, als erstes geknackt. BigUp dafür.

Def Ill stimmt uns auf düstere Gesellschaftskritik ein

Als Single Video wurde Outro als erste Auskopplung präsentiert. Ein essenzieller Track des Albums, sowie Ausgangspunkt des zum Teil kryptisch anmutenden Kritikzyklus. Ein schaurig-schöner Einstieg in eine verstörende Reise, auf die uns Def Ill mitnimmt. Achja und ratet mal: Natürlich hat Def Ill auch hier bei der Videobearbeitung mitgeholfen. Ich unterstreiche diese Detailverliebtheit an der Stelle um auf das Album als Gesamtkunstwerk aufmerksam zu machen. Diese an Manie grenzende Leidenschaft für Perfektion an der eigenen Kunst spürt man einfach beim Endprodukt. Die Kameraführung stammte von Dms Schwarz.

Es folgte die zweite Single PANAMAPAPERSTREET (feat. p.tah) – eine unglaublich starke politische Nummer, welche die satte Gesellschaftskritik auf Albumlänge wunderbar einläutet. Und als Video-Schmankerl, pünktlich zum Album Release am 6.6.2020 kam dann noch Codein (feat. Afu-Ra, Digga Mindz & DRK). Ein animiertes Video, welches zeigt, wie Kreativität und Einsatz jedes noch so große Videobudget schlagen können. Zudem weist die Nummer zahlreiche witzige Anspielungen auf die bereits genannte Kritik und fügt sich wunderbar ins Lobotomie-Universum ein.

Mittlerweile hat Def Ill auch bereits eine vierte Videoauskopplung aus dem Album gedroppt. Es handelt sich dabei um die Nummer Next Level RMX (feat. GUILTY SIMPSON). Das Konzept des Albums Lobotomie zieht sich auch bei der Videodarstellung sehr schlüssig durch.

Was bleibt nach der Lobotomie

Der Einstieg in den Prolog lässt uns zu Beginn einer medizinischen Beschreibung des Lobotomieeingriffs lauschen. Von einer Nadel, die auf der Innenseite des Schädels über Knochen schabt, ist die Rede. Anschließend verlässt unser Protagonist die Einrichtung so durcheinander, dass er nicht mal seine eigenen Notizen entziffern kann. Auch hat er ein Tape in seiner Tasche. Das ist der Ausgangspunkt des so genannten Bumerangeffekts, dem wir uns die nächsten eineinhalb Stunden widmen.

Def Ill Lobotomie

Def Ill Lobotomie © 2019 Def Ill

Def Ill mutet dabei seinem Hörer das zu, was er beim Abliefern von sich selber verlangt. Der Rapper meinte in einem Interview, er habe versucht, sich seinem Zuhörer zugänglicher zu machen. Als ich das las, bekam ich Angst, da ich das Album noch nicht gehört hatte. Ich befürchtete, das sei auf Kosten der Kunst gegangen. Aber von dem ist nichts zu spüren. Ich finde das Werk sehr stimmig. Ich habe es für mein Review hier etliche Male gehört und bin noch lange nicht an dem Punkt, an dem ich ernsthaft sagen könnte, ich hätte alle Codes und Anspielungen annähernd verstanden. Vieles wird auch für immer ein Geheimnis bleiben, manches kommt so schnell daher, dass man sich im Nachhinein fragt: Was war das!?

Nach dem beschriebenen Prolog beginnt Def Ill, die Nummer auf dem Tape näher zu beschreiben. Dabei wird in kryptischer Manier die Welt des Rappers Stück für Stück vor unseren Augen zusammengesetzt. Zahlreiche Referenzen zur Popkultur lassen den Hörer dabei oft in Nebenwelten abgleiten. Jedoch nie ohne den roten Faden der Reflexion und Kritik aus den Augen zu verlieren. Die Art des Raps spielt bei der Präsentation, eine genauso große Rolle, wie der Inhalt. Def Ill ist ein Meister darin, Energie gut erhalten zu transportieren. Über Kritik an Manipulation, formuliert als Gehirnwäsche à la Clockwork Orange, geht es immer tiefer und tiefer in den Kaninchenbau. Was mich bei Def Ill dabei stets fasziniert, ist der Spannungsbogen, der zwischen versteckter Anspielung und offener Kritik musikalisch nach Belieben gefärbt wird. Bei aller Anstrengung ist dabei eine Leichtigkeit zu hören, die ich beeindruckend finde.

Das Album enthält zahlreiche Features, meine persönlichen Favoriten dabei waren Codein feat. Afu Ra, die Single PANAMAPAPERSTREET feat. P.tah und natürlich Olle schuid feat. Monobrother. Aber am Besten ist es, wenn ihr selber reinhört und euch dann ein Schmankerl raussucht, die Auswahl ist groß. Viele Musiker versuchen sich an einem Konzeptalbum und nehmen unterwegs dann eine sonderbare Abbiegung –  hier nicht. Das Album ist großartig in den Einzelteilen aber gerade auch in der Summe. Hier wurde an alles vom Anfang bis zum Ende gedacht. Ich würde sagen: Def Ills Lobotomie ist eine absolute Empfehlung seitens der Redaktion.

Das komplette Album gibt es mittlerweile als Free stream über Youtube. Sowie die Lobotomie Beats – Lobotomentals, die als komplettes Instrumental Album ebenfalls auf Youtube zur Verfügung gestellt wurden. Eine Einladung zum Spitten und auch hier wurde der Community- und Solidaritätsgedanke bis zum Schluss gedacht.

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Duzz Down San