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Befürworter hoffen auf Wachstum und neue Arbeitsplätze. Kritiker befürchten eine Übermacht internationaler Konzerne.

Seit Anfang Oktober ist das Freihandelsabkommen CETA wieder in aller Munde und fast kein Tag vergeht, in der medialen Welt, ohne dass darüber berichtet wird. Die Zeit schreibt am 29. Juni über das Vorhaben von Jean-Claude Juncker dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Laut Juncker wolle die Kommission das CETA – Abkommen durchbringen und zwar ohne die nationalen Parlamente abstimmen zu lassen. Mit dieser Aussage machte er sich  in der EU noch unbeliebter, als er jetzt schon ist,  und so hagelte es auch an Kritik von fast allen Seiten. Nicht nur dass wir, das Volk, kein Recht haben mitzubestimmen, nein mittlerweile sieht es ja fast danach aus als wolle man auch die Mitgliedsstaaten nicht mitbestimmen lassen, zumindest macht es den Anschein. Wie sonst könnte man eine solche „Drohung“ seitens der Kommission interpretieren. Die Antwort darauf erhielt man jedoch relativ bald, es mussten neue Verhandlungen stattfinden um viele Punkte neu aufzuarbeiten, somit erhoffte man sich CETA wieder attraktiver zu gestalten. TTIP ist, mehr oder weniger, gescheitert somit liegt die ganze Hoffnung in dem Abkommen mit Kanada. Aber eines fragen wir uns doch alle. Wieso wird dieses Abkommen für die gesamte EU ausgearbeitet. Inwiefern hätten wir, hier in Österreich, Interesse Produkte jeglicher Art aus Kanada zu importieren? Bevor wir uns in die Materie reinstürzen, lassen Sie uns ein Blick auf eine Wko-Statistik werfen um zu sehen wie es um Importe und Exporte  zwischen Österreich und Kanada steht, einfach um ein Bild zu erhalten wie wirksam bzw. effektiv CETA für uns wäre.

Ein europäisches Sägeblatt vs kanadisches Ahornblatt

Auf der Seite der österreichischen Wirtschaftskammer können wir uns die Außenhandelsstatistik des Jahres 2016 ansehen. Auf Seite 8 ist eine Auflistung der Einfuhr und Ausfuhr in diesem Jahr. Wir entnehmen das Kanada unter den 3 letzten Plätze rangiert, sowohl beim Importieren so wie auch beim Exportieren. Wenn wir auf unseren lieben Nachbarstaat Deutschland schauen sehen wir dass in den letzten 10 Jahren das Außenhandelsvolumen zwischen Deutschland und Kanada um 70% gestiegen ist, ganz ohne CETA.

Was ist CETA?

CETA ist, laut eigener Kommission, mit Abstand das weitreichendste Abkommen der EU, da es weit über den klassischen Freihandel und Zollsenkung hinausgeht. So werden auch andere Felder behandelt: z.B. Investitionsschutz und Investitions(schieds)gerichte, Regulierungskooperation, Liberalisierung von Dienstleistungen, öffentliche Auftragsvergabe, geistige Eigentumsrechte.
 Es geht also um einen völkerrechtlichen Vertrag, der schon seit 2009 verhandelt wird, jedoch hinter verschlossenen Türen, Transparenz war daher so gut wie gar nicht gegeben. 2014 erhielt man erstmals Einblicke  unter www.ec.europa.eu ist der vollständige Vertrag, mit sage und schreibe 1600 Seiten, aufrufbar.
Eines muss jedoch gesagt werden, selbst unsere Politiker hier zu Lande sind nicht in der Lage ohne juristischen Beistand sich einen Überblick über dieses Abkommen zu verschaffen. In diesem Jahr, 
2016, hat die Europäische Union folgende Texte angenommen und offiziell dem Rat der EU vorgeschlagen:

  • Unterzeichnung des Abkommens
  • Abschluss des Abkommens
  • Vorläufige Anwendung des Abkommens

Eine rechtliche Prüfung des Textes wurde schon vorgenommen, jedoch ist der Vertragstext völkerrechtlich noch nicht bindend. Der europäische Rat hat den Beschluss gefasst, CETA vorläufig in Kraft treten zu lassen. Voraussetzung für das eigentliche Inkrafttreten ist der Abschluss des Abkommens durch die EU, im Wege eines Ratsbeschlusses mit Zustimmung des Europäischen Parlaments, sowie durch alle Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer jeweiligen nationalen Ratifizierungsverfahren.

Förderung, Wachstum und Beschäftigung

CETA „verspricht“ uns Wachstum und soll die Beschäftigung in der EU fördern, EU-weit würde die Beschäftigung langfristig um 0,018% zunehmen. Studien zu Folge bringt CETA nur einen sehr geringen positiv ökonomischen Effekt mit sich. Das Bruttoinlandsprodukt in der gesamten EU würde lediglich um 0,023% wachsen und das in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren zudem würden davon nur die großen EU-Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien profitieren. Für Österreich erwarte man sich im Laufe der nächsten zehn bis zwanzig Jahre ein Plus von 450 Arbeitsplätzen.
 Als erster Schritt ist die Abschaffung der Zölle vorgesehen, dadurch könnten den europäischen Exporteuren bis zu 600 Millionen jährlich erspart werden. Dies soll innerhalb von 7 Jahren, nach Inkrafttreten des Vertrags, Kanada und Europaweit, durchgesetzt werden. Durch die Öffnung der Agrarmärkte, im Landwirtschaftlichen so wie auch im Lebensmittelsektor, soll dem europäischen Verbraucher mehr Auswahl angeboten werden und somit könnten sich  auch die Preise tendenziell niedrig halten. Für Weine und Spirituosen werden nicht nur die Zölle abgeschafft sondern auch andere Handelshemmnisse um den Zugang zum kanadischen Markt zu erleichtern. Bei empfindlichen Erzeugnissen wie Rindfleisch, Schweinefleisch oder Zuckermais auf EU-Seite sowie Milcherzeugnisse auf kanadischer Seite ist der Zugang auf bestimmte Quoten beschränkt. Eine Öffnung der Geflügel und Eier erfolgt angeblich durch CETA nicht, hier wird die EU-Einfuhrpreisregelung aufrechterhalten. Leichterem Zugang zum kanadischen Fisch soll erfolgen und dem Aufbau einer Fischereiwirtschaft. Zwar wird von einem hohen Schutzniveau für „das Leben und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen sowie Umwelt“ gesprochen, jedoch wird dies nicht klar definiert. Durch die niedrigeren Produktionsstandards und –kosten könnten langfristig kanadische, billige Waren die europäischen Produzenten unter Druck setzen und somit die EU-Standards langsam untergraben.
Durch CETA ist es den EU-Unternehmer möglich Angebote bei öffentlichen Ausschreibungen in Kanada auf allen Verwaltungsebenen einzureichen. Auch werden den europäischen Unternehmen neue Möglichkeiten im Dienstleistungsbereich angeboten durch Zugang zum kanadischen Markt. Schlüsselbranchen hierzu wären

  • Finanzdienstleistungen,
  • Telekommunikation,
  • Energie und
  • Seeverkehr.

Auch die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen in reglementierten Berufen soll das Abkommen mit sich bringen.

Investitionsschutz &  Sonder(schieds)gerichte

Mit Hilfe eines Sonder(schieds)gerichts sollen ausländische Investitionen erleichtert und  gesichert werden. Diese werden von nicht-staatlichen Richtern besetzt die in der Lage sind Entscheidungen bezüglich Schadensersatzzahlungen zu fällen. Dem Investitionsschutz, das ausländischen Investoren privilegierte Schutzbestimmungen gewährt, ist eine Regulierungsklausel vorangestellt. Diese schreibt aber keinesfalls das staatliche Regulierungsrecht fest, sondern ermächtigt das Sonder(schieds)gericht, bei Streitigkeiten eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Somit liegt es bei dem Sondergericht und nicht etwa bei einem nationalen Gericht, zu urteilen, ob dem Investor durch staatliche Regulierungsmaßnahmen betriebliche Mehrkosten entstanden sind bzw. seine Profite geschmälert wurden und daher der Staat Schadenersatz zu zahlen hat. Zudem ist das Investitionssondergericht bei ihrer Auslegung nicht an die nationale Rechtsprechung gebunden, somit würde dies viel Rechtsunsicherheit mit sich bringen. Auch die fachliche und  finanzielle Unabhängigkeit der Richter ist nicht gewährleistet. Interessant ist auch dass bei Zuwiderhandeln gegen den Verhaltenskodex keinerlei Sanktionen wie etwa Amtsenthebung vorgesehen sind. Für die Verfügbarkeit der Richter ist eine geringe monatliche Entschädigungszahlung vorgesehen, jedoch ergibt sich ihr eigentlicher Verdienst aus der Abwicklung eines Schiedsverfahren. Somit sind die Richter an dem Streitwert finanziell beteiligt, dies könnte leicht dazu verleiten viele Klagen mit hohen Schadensersatzforderungen zu führen. Da ja auch viel über die amerikanischen Unternehmen spekuliert wird, die ihren Sitz in Kanada haben, sogenannte Tochterfirmen, ja auch die haben das Recht beim Schiedsgericht Klagen einzureichen. Somit bestätigt sich nur das CETA nichts weiter als eine Vorstufe für TTIP sein soll.

Eine Demo in Wien gegen CETA und TTIP

Angst vor CETA ? Dürfen wir auch mitbestimmen?

Das sind nur einige von vielen Punkten die derzeit heiß ausdiskutiert werden, diesbezüglich gab es auch einen Beitrag im öffentlichen rechtlichen Fernsehen. Auf ORF2 konnte man am 09.10.2016 um 22:00 Uhr live die Debatte um CETA mitverfolgen, in jener äußerte sich Werner Amon, Generalsekretär der ÖVP, über die Möglichkeit einer theoretischen Volksabstimmung. Laut ihm wäre dieses Handelsabkommen viel zu komplex und umfangreich als dass sich der herkömmliche  Bürger damit auseinander setzen könnte. Politiker sollten dies bestimmen da sie ja auch gewählt wurden um solche wichtigen Entscheidungen zu treffen. Er spricht sich ganz klar gegen eine Befragung bzw. eine Abstimmung, will aber der Bevölkerung die Angst gegenüber CETA nehmen durch Aufklärungsarbeit. 
Interessant an der Diskussion war mitanzusehen wie die FPÖ, vertreten durch EU-Abgeordneter Harald Vilimsky, und die Grünen, vertreten durch EU-Abgeordneter Michel Reimon, sich gänzlich gegen CETA aussprachen und so, zumindest im Rahmen der Sendezeit, so etwas wie ein Team bildeten. 
Da ja  sich auch unser neuer Bundeskanzler Kern für CETA aussprach war es nicht verwunderlich dass Christoph Matznetter, Wirtschaftssprecher der SPÖ, ebenfalls klar Farbe bekannte und  für das Abkommen plädierte. Nach dem Beitrag war man nicht wirklich schlauer als zuvor, eher machte es den Anschein als würde man das alles schnell über den Tisch bringen wollen. Vor allem fängt man sich an zu fragen wieso die angebliche Aufklärungsarbeit nicht schon damals begonnen haben als die ersten Unruhen um TTIP und CETA vernehmbar waren, immerhin war ja genügend Zeit vorhanden, mehr als sechs Jahre. Auch sehr fragwürdig ist die Tatsache dass das Volk nicht gefragt wird, man will ja doch meinen das wenn es sich um so etwas Wichtiges handelt wir zumindest miteinbezogen werden. Zu erwähnen wäre ja noch das es keine Ausstiegsmöglichkeit gibt sobald einmal CETA In Kraft getreten ist. Wobei…
In Deutschland wurden 190. 000 Unterschriften gegen das Freihandelsabkommen gesammelt und dem deutschen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht, jedoch wurden die Eilanträge abgelehnt. Am 13.10  gibt die deutsche Regierung grünes Licht um CETA vorläufig einzuführen jedoch nur mit einigen Bedingungen, eine davon ist das Deutschland die Möglichkeit haben muss im Fall der Fälle aus CETA auszutreten.

Wie geht es weiter? Fällt Ende Oktober die Entscheidung?

Seit Oktoberbeginn wird versucht dieses Abkommen so schnell wie möglich durchzubringen, die endgültige Entscheidung soll am 27. Oktober 2016 fallen und zwar beim EU-Kanada-Gipfel. Ursprünglich rechnete man schon früher mit einem Entschluss, jedoch lehnte Belgien seitens der Regionen Wallonien und Brüssel, etwas überraschend im letzten Moment ab. Auch Rumänien und Bulgarien sind sich noch unstimmig, aus den anderen Reihen scheint kein Widerstand zu herrschen.
 Nun durften wir in den vergangen Tagen mitverfolgen dass sogar EU-Parlamentspräsident, Martin Schulz, alles versuchte und unternahm um noch irgendwie das Ruder zu reißen. So staunte man auch nicht schlecht, als Herr Schulz noch in letzter Minute die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland, auf dem Weg zum Flughafen in Belgien abfing, um ihr mitzuteilen dass man nur etwas mehr Zeit bräuchte um Einigkeit zu erlangen. Bis Ende des Jahres könnte es gelingen das Abkommen durchzubringen. Letztendlich muss die Entscheidung bezüglich der Ratifizierung des Abkommens einheitlich stattfinden.  Eines ist jedoch gewiss, das Volk soll nicht mit einbezogen werden geschweige denn mitbestimmen. Da wundert es nicht, dass viele CETA Kritiker zu Recht die Demokratie Europas durch dieses Abkommen gefährdet sehen.

Quellen

Europa.eu
Wirtschaftskammer Österreich
Finanzmarktwelt Deutschland