Podcast

Bereits mit seinem letzten Album Zwielicht EP konnte Haze in Sachen Authentizität neue Maßstäbe setzen. Mit Storytelling auf Asphalt und der richtigen Portion Gesellschaftskritik hatte er 2018 eines der besten Alben abgeliefert. Hip-Hop Medien waren sich darin einig. Ein sicherer Platz in der Heavy Rotation war die logische Konsequenz. Zwei Jahre später, genau am 13.3.2020, war es nun endlich soweit. Das dritte Studioalbum des Karlsruher Rappers wurde über Alte Schule Records gedroppt. Dass auch hier Gesellschaftskritik eine Rolle spielt, lässt schon der klangvolle Titel Brot & Spiele erahnen.

Brot & Spiele von Haze 

Dass Haze gegen den Strom schwimmt, beweist er immer wieder deutlich durch Stiltreue und sein feines Gespür für das Subversive. Jedoch ist dieser Albumtitel alles andere als subversiv. Die Parallelen zwischen den Zeiten, in denen der römische Dichter Juvenal den Ausdruck „Brot und Spiele“ prägte, und der Gegenwart, sind bestechend.

Alte Schule…

Brot & Spiele ist alte Schule, Haze ist alte Schule. Die absolut klassische 90er Boombap Beat Auswahl unterstreicht bereits beim Intro die Gangart des Albums. Hier gelingt Haze bereits ein sehr feiner Einstieg. Er holt seine Hörerschaft, mit nostalgischen Cuts, sehr gut ab. Es wird nahtlos an die Zwielicht EP angeschlossen. Weitere klassische Elemente des Albums sind unter anderem wunderbar ausproduzierte Tracks, in denen Haze’ Vorliebe für die Gitarre als Instrument nicht zu kurz kommt. Da ist nichts für Spotify-Playlisten optimiert, die Musik fließt. Viele Tracks sind länger als 3 Minuten, und das ist angenehm.

Da es bei Haze auch viel ums Kiffen geht, kann man sich wunderbar vorstellen, auf einer dicken Rauchwolke dahinschwebend dem Instrumentalteil des Albums zu lauschen. Beim letzten Mal waren die Acapellas, diesmal sind alle Instrumentals mit dabei (Spotify).

Haze Brot & Spiele

Auf insgesamt 16 Tracks (15 Tracks – 1 Skit) nimmt uns Haze mit auf eine Reise durch die Straßen. Authentizität ist Kongruenz, Kongruenz bedeutet deckungsgleich. Also wenn das Gesagte, Gefühlte und Gedachte übereinstimmen, dann erleben wir Authentizität. Und nichts anderes macht Haze hier. Er beschreibt das Straßenleben, er beschreibt das Dealer Life mit all seinen Facetten. Oft liegt bei den Tracks das Hauptaugenmerk auf dessen negativen Anteilen. Aber so ist eben das Leben, ich kaufe Haze hier jedes Wort ab. Es ist sehr erfrischend, dass die Wirklichkeit beleuchtet wird. Straßenrap für Erwachsene sozusagen.

Track by Track! Im Schnelldurchlauf!

Nach dem Intro geht es weiter mit der ersten Singleauskopplung des Albums „Ich bin Hase“. Der Track ist eine wunderbare Beschreibung davon, wofür Haze insgesamt steht. Wer ihn bis dahin nicht kannte, sollte spätestens nach dem Track Bescheid wissen.

Hust’, wenn ich zieh’, in den Lungen ist Hase
Ob Mucke, ob Weed, jeder Kunde will Hase
Wer keep it real, für die Jungs auf der Straße
Denn nie auf ‘nen Trend aufgesprungen ist Hase

Mit „Der Jäger“ liefert Haze einen Track, der die übermäßige Strafverfolgung in Sachen Weed, aber auch Fake-Rap an sich kritisiert. Der nächste Track „Chin Check“ ist ein absoluter Banger. Er enthält auch eines der drei Features, die Haze auf dem Album präsentiert, und zwar Cashmo. Bei dem Track ruhig zu bleiben ist absolut unmöglich. Mich hat es beim Hören an „Bad Boy 4 Life“ erinnert. Das absolut geniale Piano Sample rundet den Track perfekt ab. Cadillac Feeling.

Also sei still bevor ich zwinker und dein Mädel sich verliebt

Ich hoffe, es haben sich alle ausgetanzt, denn jetzt kommt der harte Shit. Die nächsten drei Tracks auf der Platte sind vollgepackt mit Kritik und Selbstreflexion. Auf „Brot und Spiele (Vertrau keinem)“ beschreibt Haze seinen Werdegang mit den dazugehörigen Tiefen. Wie der Titel erahnen lässt, spielt Verrat dabei auch eine Rolle.

Als nächstes heißt die Devise „Ich hab nix geseh’n, nix gehört, nix gesagt“ auf „NGx3“ wird der Kodex berappt. Mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Kriminalität als Resultat, nervliche Belastung als logische Schlussfolgerung. Diesem Narrativ bleibt Haze auch bei „Deshalb bin ich High“ treu. Allerdings wird hier vermutlich Haze’ zweite Lieblingsbeschäftigung nach dem Rappen beleuchtet. Gleichzeitig wird gegen dessen Glorifizierung gewettert. Es gelingt der ideale Ausgleich, der durch gutes Storytelling abgerundet wird. Diese Formel, gepaart mit Skills, machen Haze so einzigartig. Straßenrap mit einer so kritischen Note findet man ansonsten nur bei ein paar wenigen seiner Kollegen.

Zum Schluss möchte ich euch einen Track ans Herz legen. Das dritte Feature der Platte, „Wer bewacht die Wächter feat. Eazyono“. Bereits die Sample Auswahl des Intros ist großartig. Hierfür wurde ein deutscher Klassiker gesampelt. Und zwar wurden die ersten Zeilen aus “Der Jäger – Was sucht denn der Jäger am Mühlbach hier“ von Fritz Wunderlich und Franz Schubert ausgewählt. Noch mehr Alman geht kaum, das Stück ist aus dem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Das gesellschaftspolitische Spannungsfeld zwischen biederem Deutschtum und die Frage „Wer bewacht die Wächter?“ liegt auf der Hand. Ein Eazyono, dessen Part – wie bereits bei der „Zwielicht EP“ – absolut hungrig klingt, passt dazu wie die Faust aufs Auge. Die Frage bleibt offen „Wer bewacht die Wächter…..“

Resümee

Da ich hier kein komplettes Track by Track machen werde, kann ich nur sagen: Holt euch das Album, wenn ihr gute Musik wollt! Falls ihr Haze supporten wollt, dann macht das nicht nur auf Spotify. Ich kann es nach mehrmaligem Hören nur als absolut empfehlenswert bezeichnen. Nach der Zwielicht EP war die Latte sicher hoch, doch die wurde hier mit sportlicher Leichtigkeit übersprungen. Insgesamt ist „Brot und Spiele“ ein sehr stimmiges Album. Durch die Old-School-Treue sticht es für mich derzeit aus der Masse der Releases heraus. Am meisten hat mich die Kombination aus Gesellschaftskritik und Straßenrap beeindruckt. Eine gute Mischung, die funktioniert. Auf die dazugehörige Tour werden wir wohl noch ein bisschen warten müssen.

Weiterführende Links

HHV Shop “Brot und Spiele“

FB Haze

Discogs Alte Schule Records