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Er ist Sänger, Gitarrist und leidenschaftlicher Koch. Die Legende Mille Petrozza gewährt uns Einblicke über die Anfänge von Kreator, seine Spiritualität und seine Vorliebe zur deutschsprachigen Musik.

Als Kreator Mitte der 80er-Jahre bekannt wurde, war Frontmann Mille Petrozza noch nicht einmal volljährig. Heute kann er über Songtitel wie “Endless Pain”, oder “Flag Of Hate” nostalgisch schmunzeln. Für Delay Magazine hat sich der Frontman kurz Zeit genommen, um über sein musikalisches Schaffen zu reden und Sternstunden Revue passieren zu lassen.

Wir befinden uns im Lavanttal in Kärnten.  Obwohl der Auftritt von Kreator auf dem Rock den See Festival unmittelbar bevorsteht und sich die Crew bereits zum Aufbruch Richtung Festivalgelände bereit macht, treffen wir einen gut gelaunten und entspannten Mille in einem kleinen verglasten Vorbau seiner Unterkunft, unweit vom Festivalgelände. Unser Autor Gabriel Niederberger, Kenner des Fachs und Fan von Kreator, führt für uns das Interview.


Wie geht’s dir?

Super! Dir auch?

Ja, mir auch, danke! Gefällt dir die Gegend in Kärnten?

Ich war gerade im Dorf Wolfsberg und bin hier herumgelaufen. Die Natur ist überwältigend.

Bist du schon öfters in Österreich gewesen?

Ja, schon ein paar mal. Anfang des Jahres hatten wir noch drei Konzerte in Österreich, da waren wir unter anderem in Linz. Ich mag Österreich gerne, ich finde die Natur schön und es ist alles so relaxed. Wenn man aus einer großen Stadt kommt, findet man sowas schön.

Ihr seid ja heute Abend Headliner auf dem Rock den See Festival. Freust du dich auf den Auftritt?

Ja, klar. Ist auch gut, dass wir gestern frei hatten, wir sind nur gereist und hatten heute Nacht und den ganzen Tag frei.

Es sind dann im Herbst noch weitere Konzerte im Rahmen einer Tour, European Apokalypse, geplant, ihr spielt da in Wien mit Dimmu Borgir, Bloodbath und Hatebreed. Worauf darf man sich als Fan freuen, was darf man erwarten, bezüglich Show, Setlist?

Ach, stimmt, da sind wir ja schon wieder da. Naja, bei der Show werden wir auf jeden Fall Resümee ziehen, weil wir 2019 nicht spielen werden, das wird so der Abschluss unserer Tour sein. In Europa werden wir keine Auftritte machen nächstes Jahr, kann sein, dass wir was in Amerika oder Russland was machen, aber im europäischen Festland jetzt mal nicht.

Kommen wir kurz auf eure Bandgeschichte zu sprechen: Zuerst gab’s ja Metal Militia, danach Tyrant, schlussendlich 1982 – 84 Tormentor.

(lacht) Mein Gott..

Das Logo war ja großartig, von dir gezeichnet?

Das war Ventor, unser Schlagzeuger. Ja das ist lange vorbei. Die Zeitrechung beginnt bei mir mit Kreator. Das vorher waren Demos, die wir natürlich zu der Zeit sehr gut fanden, aber wenn man die heute hört, sind die technisch ein wenig unausgereift. Aber trotzdem gehören die zur Geschichte mit dazu, klar.

Für jede und jeden, die/der sich selber ein Bild machen möchte. Absolut empfehlenswert.

Warum habt ihr euch dann doch dazu entschieden, auf Kreator umzuschwenken?

Das war einfach cooler. Das gab’s noch nicht. Tormentor, da gab es mehrere Bands, den Namen Kreator, den gab’s in dem Zusammenhang noch nicht.

Stimmt es, dass ihr vor der Veröffentlichung eurer Debut-Platte, Endless Pain, erst 5 Live-Gigs gespielt hattet, oder ist das ein Mythos?

Nein, nicht fünf. Vielleicht zwei! Zwei oder drei. Bevor das Album rauskam haben wir noch einen dritten gemacht, aber sonst waren’s nur zwei. Sehr wenige, es gab zu der Zeit damals einfach nicht so viele Auftrittsmöglichkeiten für uns, und dadurch, dass wir kein Album hatten, hat uns niemand gefragt, ob wir spielen wollen. Als das Album dann rauskam, wurde es mehr. Aber ohne Album war es so ein bisschen naja Demo-Band, da mussten wir eben drauf warten, bis wir live auftreten konnten. Als das Album dann da war, waren viele Anfragen da, aber vorher nicht.

Besonders im Bezug auf eure frühen Veröffentlichungen, Endless Pain und Pleasure To Kill . In der Metal-Szene werden diese Platten ja gerne als Einfluss und Eckpfeiler für den Black- oder Death Metal bezeichnet. Kannst du damit etwas anfangen? Oder sind dir solche Genre-Zuordnungen eher egal?

Naja, du musst dir vorstellen, als wir diese Alben veröffentlich haben, da wussten wir selber noch nicht genau was wir machen. Wir waren natürlich Fans von der New Wave Of British Heavy Metal, Iron Maiden und Priest, damit sind wir aufgewachsen. Wir wollten aber nicht diesen ,,normalen‘‘ Metal machen, deshalb haben wir schneller gespielt, das hatte jede Woche eine andere Bezeichnung, manchmal haben wir es Speed Metal, manchmal Black Fucking Death Metal oder was weiß ich was genannt. (lacht) Irgendwie war uns das auch nicht so richtig wichtig. Wir wollten einfach unseren eigenen Stil entwickeln, und das dauerte ein bisschen.

Das ist euch super gelungen.

Danke!

Kurz zu eurem Maskottchen Violent Mind: Ist der auch schon auf den ersten paar Alben zu sehen, oder tatsächlich erst auf Coma of Souls? Ich dachte immer der Dämon auf den früheren Alben hat da doch gewisse Ähnlichkeiten..

Auf Coma of Souls ist da wo er entstanden ist, die Entstehungsstunde von unserem Maskottchen. Vorher was das nur so ein Halbmaskottchen, das war ja nicht so prägend.

Danke für die Klarstellung. Solche Gestalten auf Metal-Covern haben ja durchaus Tradition – wer ist dein Liebling: Snaggletooth, Knarren-Heinz..

Die finde ich alle so ein bisschen albern, ich finde selbst unseres ein bisschen albern. (lacht) Aber ich mag Horror, ich mag Übertreibung, ich spiele gerne mit Klischees und so Quatsch eben. Für mich ist das ungefähr so: Wenn man einen Alien-Film sieht, bekommt man da ja auch eine bestimmte Ästhetik. Man muss das so sehen, dass wir diese Dämonen eben auch dafür verwenden, um darauf aufmerksam zu machen, jetzt kommt was von Kreator. Also wirklich so eine Art visuelles Markenzeichen sozusagen, wie so ein Branding.

Kurz zum aktuellen Album, welches 2017 erschienen ist, Gods of Violence – ich musste bei dem Titel unweigerlich an euch denken, als die Thrash-Titanen, die mit ihrem Klang eben eine solche Stimmung einfangen, das eben ihr die Gewalt in den Metal bringt.

Na wer sonst? (lacht)

Die Gods of Violence bei der Arbeit.

Auch wieder wahr. Aber gab es da jemanden bestimmten, an den du bei der Titelwahl gedacht hast?

Es war ja eigentlich an die griechische Mythologie angelehnt. Mein Plan war ein Album zu machen, das sich damit beschäftigt. Aber irgendwie kam mir das dann ein bisschen albern vor. Als ich die Texte geschrieben habe, hab ich gemerkt, ich will auch über etwas anderes schreiben als die griechische Mythologie. Gods of Violence, der Song, war davon beeinflusst. 10 oder 11 Songs, die das selbe Thema haben, habe ich einfach nicht zusammenbekommen, und deswegen ist es dann doch wiedermal kein Konzept-Album geworden, was sich im Thrash Metal aber wahrscheinlich auch nicht so anbietet. Vielleicht beim nächsten Mal! Ich hab schon so ne Art Idee.

Das Album selber ist ja gewohnt politisch und sozialkritisch, auch mit einigen anti-religiösen Statements. Du selber bist Atheist?

Ich bin gar nichts, ich bin spirituell. (lacht)

In welche Richtung geht deine Spiritualität?

Ich bin so eine Mischung aus Atheist und spirituell. Ich glaube an die Energien. Aber das kann man nicht so in einem kurzen Interview erklären. (lacht) Ich glaube einfach daran, das, wenn man sich etwas vorstellt, es Realität wird. Ich glaube etwa daran, wenn du dir die ganze Zeit vorstellst – was machst du von Beruf? Gehst du zur Uni oder was machst du?

Ja, ich bin Student.

Wenn du dir die ganze Zeit vorstellst, du wirst Student sein, dann wird es dir irgendwann passieren. Wenn du danach einen Berufswunsch hast, und dich darauf konzentrierst, und alles dafür in Bewegung setzt, dann fängt das erst in Gedanken an, dann fängt das erst damit an, diese Kraft, die dich dazu bringt, manifestierst, in die Realität bringst, das kannst du selber machen. Ich nenn das so ne Art positive Energie, die man freisetzt, in dem man wirklich das macht, was man will, und das mit Freude macht. Das ist eigentlich ein ganz einfaches Konzept, das hat noch nichts direkt mit Spiritualität zu tun, das ist eher so ne subtile Geschichte. Viele Leute leben ihr ganzes Leben lang so, dass sie ihr Leben eigentlich gar nicht mehr gut finden, sogar hassen, was sie machen. Und ich glaube, das Beste ist, das man nur Sachen macht, die man gut findet. Und dann kann auch ein glückliches Leben haben, und dann holt man auch am meisten raus.

Besonders im Black und Death, allerdings fast in allen Metal-Spielarten gibt’s ja öfters Zuhilfenahme von satanischen Images. Da hast du ja schon gemeint, dass du das eher käsig findest?

Ne, käsig finde ich das nicht. Ich find’s interessant. Du musst dir vorstellen, all diese Gestalten, angefangen von der griechischen Mythologie, römische Götterwelt, auch die germanische und christliche Götterwelt, da gibt es diese Wesen, Satan, Gottes Sohn, was weiß ich wer da noch alles rumgelaufen ist. Das haben sich alles Menschen ausgedacht, das ist ja super. Überleg mal, die haben so viele verschiedene Charaktere entwickelt, um eigentlich den Menschen zu beschreiben. Es geht ja um nichts anderes als das menschliche Dasein zu erklären. Insofern find ich Religion eigentlich sehr gut, weil dich das erstmal zum Nachdenken anspornt, wenn du das richtig verstehst. Organisierte Religion macht das natürlich ein bisschen kaputt. Und deswegen bin ich nicht anti-religiös. Ich bin eher darauf bedacht, dass jeder so. Wenn mich jemand nach einer bestimmten Religionsrichtung fragen würde, die ich dann bevorzuge, dann würde ich das wahrscheinlich gar nicht sagen können, weil ich denke, in allen Religionen sind so ein paar Wahrheiten drinnen, dann würde ich sagen, so ähnlich kann das sein, wenn man die Metaphern richtig versteht, wenn man sich damit beschäftigt. Aber wenn man das alles für bare Münze nimmt, dann kommen natürlich so Sachen wie Glaubenskriege und Diskriminierung von bestimmten Religionen zustanden. Und dann gibt’s wieder Kriege und Auseinandersetzungen und so einen Quatsch. Das heißt wenn man bisschen offener mit solchen Dingen umgehen würde, dann könnte das eventuell eine gute Sache sein.

Das bedeutet, organisierte Religion sagt dir nicht zu?

Naja, wenn man so Satan als Symbol nimmt, also ich nehme das jetzt als Symbol und nicht als Person. Also dann ist das eigentlich derjenige, der gefallene Engel, der Gottes Wort in Frage gestellt hat. Ich kann mich damit sehr gut identifizieren, weil ich alles in Frage stelle. Wenn ich jetzt ein religiöser Mensch wäre, was ich nicht bin, würde ich sagen, ich bin eher Team Satan als Team Jesus. (lacht) Wobei Jesus hat auch coole Sachen gemacht. Das ist totaler Quatsch, ich glaube, man sollte das alles nicht so ernst nehmen. Ich glaube, die Leute nehmen das alles viel zu wörtlich. Es sind super Geschichten, aber dadurch, dass so viel Blut an diesen Geschichten klebt, kann man das nicht mehr so frei sagen.

Und diese Gedanken sind dann auch in den Song ,,Satan Is Real‘‘ eingeflossen?

Ja, genau, da geht’s ja eigentlich nur darum, genau darum geht’s da, dass diese Symboliken zu ernst genommen werden.

Den Song habt ihr ja auch 2017 bei live Circus Halligalli live gespielt

Ah stimmt, genau!

 

Mille zwischen häretischem Papst und einer Nonne.

Da hattest du an den Vocals Unterstützung von Max Gruber AKA Drangsal und Tobias Forge AKA Papa Emeritus. Wie kam es zu dieser Kollaboration?

Also der Max ist ein guter Freund von mir. Und ich bin ein ziemlicher Fan von allen Ghost-Sachen. Wir haben dann überlegt, wer visuell am meisten hermacht, wie das am coolsten rüberkommt. Wir wollten nicht einfach auftreten, wir wollten keine Halb-Playback-Show machen, da im Zirkus Halligalli. Wir kennen die Leute, die das veranstalten, und die haben gefragt, ob wir spielen wollen. Da wollten wir uns etwas Besonderes einfallen lassen, und Ghost waren gerade in der Stadt, deshalb konnten die. Und Max war eh dabei, der wollte das machen.

Glaubst du, Papas Kostüm ist von einer der Papst-Statuen auf dem Cover von Terrible Certainty inspiriert?

Na, sieht auf jeden Fall so aus. (lacht) Ich könnte den eigentlich einmal fragen, mach ich eines Tages.

Ja, bitte, das wäre spannend zu wissen! Bei Ghost gibt es ja noch stilistische Überschneidungen, bei Drangsal AKA Max Gruber allerdings kaum mehr, da ist eher NDW und Post-Punk angesagt.

Max ist ja auch ein großer Metal-Fan..

Stimmt! Am neuen Album ist ja auch Dagobert mit drauf, als Texter.

Ja, der hat ein kurzes Gedicht geschrieben, für den Song Fallen Brothers.

Fleshgod Apocalypse sind ja auch mit drauf.

Genau, die haben diese orchestralen Dinger gemacht.

Auf Fallen Brother lassen sich einige deutsche Zeilen finden. Hat es dich jemals gereizt, mal ein ganzes Album auf Deutsch aufzunehmen?

Naja, ich mag die deutsche Sprache eigentlich. Nur, seitdem ich Texte schreibe, schreibe ich auf Englisch. Und ich habe immer so ein bisschen Skrupel, da reinzuspringen. Ich finde es gibt großartige deutsche Texter.

Zum Beispiel?

Naja, ich mag Dirk von Lowtzows [Anm. d. R.: Sänger und Gitarrist von Tocotronic] sehr gerne, ich find Dagoberts Texte sehr gut, ich mag viele verschiedene Leute. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich das von 0 auf 100 genauso gut schaffe, deswegen lass ich das erstmal.

Ich fände es sehr spannend, eine Kreator-Platte auf Deutsch zu hören!

Ja, ich versuch’s mal, ich versuch’s mal beim nächsten Album, mal kucken.

Weil Tom von Sodom, mit dem du ja befreundet bist, hat ja auch sein Solo-Projekt, da singt er auf Deutsch.

Genau, das ist eher Quatsch, das ist ja eher Saufmusik.

Stimmt schon, aber es ist Deutsch.

Ja, es ist Deutsch. Das könnte ich vielleicht auch noch, so Saufmusik schreiben. (lacht) Aber das ist nicht so mein Ding.

Was sind denn generell so deine Gedanken zur deutschsprachigen Musik-Szene? Du hast ja durchaus Interesse daran, an Dagobert und anderen Künstlern. Gibt es da auch österreichische Künstlern, die du gut findest?

Ja, Wanda zum Beispiel, da find ich die ersten beiden Platten sehr gut. Die neue finde ich langweilig.

Ich stimme dir zu. (beide lachen) Falco vielleicht?

Falco, natürlich, ist ein großartiger Künstler. Falco mag ich sehr gerne. Da gibt’s einiges Österreichisches, was sehr gut ist. Seiler und Speer, da weiß ich, dass sie gut sind, aber da hab ich mich noch nicht so wirklich damit beschäftigt. Ein Lied von Bilderbuch finde ich auch gut.

(lacht) Und welches ist das?

Dieses Disko-Lied, das jeder kennt.

Bungalow?

Ja, genau! Aber der Grund, warum ich nur ein Lied gut finde, ist, weil ich nicht mehr kenn. Ich hab mich noch nicht so mit denen beschäftigt.

Du hast ja recht bald nach Gods of Violence angekündigt, nach diesem Jahr gäbe es mal eine Tour-Pause, und noch dazu neues Material in Aussicht gestellt – kannst du da schon konkreter werden oder ist das alles noch im Entstehen? 2019 nehmt ihr euch ne Auszeit, und dann ist wieder eine Rückkehr ins Studio geplant?

Das ist bei uns ein bisschen anders. Das ist bei uns nicht so, dass wir sagen: ,,okay, wir machen jetzt ein Album‘‘, und uns dann ne Deadline setzen. Sondern da kommt ein Album, wenn es fertig ist. Also kann sein, dass das in einem Jahr kommt, dass das in zwei Jahren kommt, es kann auch sein, dass es erst in drei Jahren kommt. Wenn ich kein gutes Material habe, kommt da kein Album.

Okay, das ist ein Statement! Eine letzte Frage. Kreator ist eine sehr politische Band, würde ich sagen. Wenn du eine Partei gründen würdest..

[unterbricht] Ich bin keine politische Band!

Aber politische Inhalte..

Ja, es hat so ein paar politische Inhalte. Eher humanistisch aber.

Aber wenn du eine Partei gründen würdest..

Es gibt keine Partei, ich finde alle Parteien doof. Also wirklich, ich find wirklich alle Parteien doof.

Delay-Magazine bedankt sich für das Interview und wünscht einen erinnerungswürdigen Auftritt!

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