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Ihre Liebe zum Texten brachte Yasmo schon als Teenagerin zum Poetry Slam. Ihre Liebe zum Hip Hop brachte sie ebenso früh zum Rap.

Yasmin Hafedh aka Yasmo mischt als Female MC und Poetryslammerin sowohl die österreichische Hiphopszene als auch die österreichische Slamszene auf. Mit ihrer Band “die Klangkantine” nimmt sie derzeit ihr neues Album auf, währenddessen hat sie sich die Zeit genommen, mit uns über ihre Anfänge, ihren kreativen Prozess und über Politik zu reden.

Lass uns mit einer Frage beginnen, die an deine Anfänge zurückgeht. Wie war deine Sozialisation mit Musik in deiner Kindheit? Hast du Hiphop gehört?

Ich bin schon mit Hip Hop aufgewachsen. Die erste CD, die ich mir gekauft habe, war tatsächlich das Album von Tic Tac Toe, wo ,,Leck mich am ABC‘‘ und so drauf ist. Dann habe ich Pop gehört, und da war eben auch Hiphop dabei. Danach hatte ich eine Phase, wo ich keinen Hip Hop gehört habe. Das war meine Punkphase und zu der Zeit war Hip Hop Gangstarap und Kommerzialisierung, also der böse Kapitalismus. Ich habe damals nicht gecheckt, wo Hip Hop wirklich herkommt. Nach dieser Punkphase habe ich schnell wieder zum Hip Hop zurückgefunden.

Dein Ausgangspunkt war also Hip Hop?

Kann man schon so sagen. Dazu muss ich aber erwähnen: Als ich begonnen habe, war es zu Beginn schön Gedichte zu schreiben, weil es irgendwie einfacher geht. Vom Gedichte schreiben war dann der Schritt zum Rap logisch, wie das Umkippen eines Schalters.

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Was waren damals Alben, die für dich wichtig waren?

Überhaupt die ganze Deutschrap-Szene. Fettes Brot war zum Beispiel damals ganz wichtig für mich. Vor meiner Punkphase habe ich noch Amirap gehört und danach Deutschrap. Später bin ich wieder zum Amirap gekommen, den ich heute auch meistens höre. Meine aktuellen Favoriten sind Kendrick Lamar, Jay-Z, zum Teil Kanye West, dessen Wahnsinn ich akzeptiere. Ich höre auch noch Brockhampton, deren aktuelles Album sehr gut ist. Beim Steuererklärung machen höre ich auch ganz gerne Run the Jewels.

Du und deine Band “die Klangkantine” arbeiten aktuell an einem neuen Album, kannst du uns dazu etwas erzählen?

Wir haben einen Plan, aber ich kann noch nicht viel sagen. Es ist noch sehr ,,in progress‘‘ und vieles hängt noch in der Schwebe. Aber ich freue mich darauf, es wird ein paar sehr schöne Sachen geben, die ich schon mein ganzes Leben haben wollte, dazu wird es ein paar ganz tolle Features geben. Es wird wohl ein bisschen anders.

Wie sieht denn euer gemeinsamer Schreibprozess aus? Wer macht was?

Ralph Mothwurf und Tobias Vedovelli schreiben die Musik und ich mache die Texte. Es passiert viel im Dialog. Ich schreibe einen Text auf einen Loop und dann setzen wir uns gemeinsam hin und überlegen was wir machen können und gehen alles genau durch. Beim neuen Album war der Songwritingprozess anders als bei dem Album davor. Diesmal war bevor wir ins Studio gegangen sind bereits ein Großteil der Preproduktion der Songs fertig, dann mussten wir die Sachen nur mehr aufnehmen. Dagegen war es beim ersten Album viel anstrengender, weil wir mitten im Songwriting dann draufgekommen sind, dass man da noch was machen kann.

Aber du schreibst auf den Beat oder umgekehrt? Oder ist beides möglich?

Es kann beides sein. Ich habe oft ein Grundgerüst und dann schreibe ich ausgehend von dem und rundherum entwickelt sich die Komposition.

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Du bist politisch engagiert, zum Beispiel bist du am Vorabend des 1. Mai am Rathausplatz aufgetreten. Bist du auch noch weiter politisch aktiv?

Ich bin in keinem Parteibuch. Ich bin bei keinen politischen Organisationen. Ich unterstütze die Dinge, die ich gut finde. Ich unterstütze, wo ich merke, dass meine Unterstützung hilft und ich helfen kann. Ich hätte aber nicht die Zeit mich politisch zu engagieren, da das ja auch ein Vollzeitjob ist. Ich weiß die Arbeit von anderen zu schätzen und respektiere sie.

Nun zur Slam-Szene, die deine Anfänge darstellt. Du bist ja stark in der österreichischen Szene vertreten, wie würdest du diese beschreiben?

Die österreichische Slam-Szene ist sehr gewachsen, verglichen mit der Zeit, in der ich angefangen habe. Sie ist jünger geworden. Gerade in Wien gibt es viele Slams und es werden Workshops und Dialogveranstaltungen abgehalten. Die Szene ist hier, wie im ganzen deutschsprachigen Raum, gut vernetzt. Die österreichische Slamszene ist zusätzlich auch noch sehr feministisch. Auf Bühnen Texte aufführen mit sexistischen oder rassistischen Witzen, gibt es in Österreich viel weniger als in Deutschland. Dort gibt es auch das Phänomen, dass die Deutschen keine Kabarettförderung bekommen, dadurch sind viele Comedians bei Poetryslams. Deshalb sind bei Slams in Deutschland viele unterhaltsame Texte, in Österreich dagegen ist die Vielfalt meiner Meinung nach wesentlich größer.

Was hältst du von der zunehmenden Professionalisierung der Slam-Szene?

Ich bin froh, dass es in Österreich länger gedauert hat mit der Professionalisierung. In Deutschland ging das schneller, und das hat dazu geführt, dass es innerhalb der Szene eine Hierarchie gibt. Diese Hierarchie gibt es natürlich auch in Österreich. Aber Österreich ist wie so oft Deutschland und der Schweiz hintennach. Bis es in Wien die ersten Slams mit Eintritt gegeben hat, hat es ewig gedauert. Durch diese langsame Entwicklung in Österreich sind die negativen Effekte von Professionalisierung, die passieren können, nicht so stark, weil wir denen auch vorbeugen können, weil wir es anderswo ablaufen gesehen haben. Die Macht, die mit Hierarchisierung kommt, wird in Österreich weniger ausgenützt, habe ich das Gefühl. Die Professionalisierung findet statt und das finde ich gut, weil es auf einem freundlichen Level ist. Der Grundslamgedanke wie, dass wir wie eine Slamily sind und eine Subkultur und zusammenhalten müssen, der ist immer noch sehr stark, im Gegensatz zu Deutschland.

Wer ist denn dein Lieblingsslammer ?

Dalibor Marković. Ich liebe alle Poetryslammer und Poetryslammerinnen, aber er war einfach der Erste, den ich gesehen habe, wie ich angefangen habe. Ich war damals bei der deutschsprachigen Poetryslammeisterschaft. Damals habe ich erst seit einem halben Jahr geslammt und ich als ich ihn dort gesehen habe, habe ich mir nur gedacht: WTF. Er spielt mit Worten, das ist der Wahnsinn.

Du slammst und du rappst. Hängt für dich Poetryslam schreiben und Hip Hop im kreativen Prozess zusammen?

Textproduktion ist überall Textproduktion, aber der Zugang ist beim Slam ein anderer als beim Rap. Beim Rappen ist man sehr an die Musik gebunden und es wird dadurch noch eine zusätzliche Bedeutungsebene geschaffen. Beim Slam gibt es dann noch eine Bedeutungsebene über die Performance. Diese Performance kommt bei Rap nur bei Live-Konzerten, beziehungsweise ist sie auf Aufnahmen noch präziser mit Stimme und Intonation zu machen. Also es ist schon unterschiedlich, aber von der Textproduktion her gesehen und dem Zugang den ich zu Themen habe ist es wieder gleich.

Welche Zielgruppe möchtest du mit deinem Rap erreichen?

Ich denke nie in Zielgruppen und habe es nie. Ich hoffe allerdings, dass ich mit der Musik auch an Menschen herankomme, die anders denken als ich und dadurch neue Denkansätze bekommen. Ich glaube aber, dass das utopisch ist. Ein Rechter würde sich kein Yasmo-Album kaufen.

Gibt es einen Prozess, wie du die Themen auswählst, über die du schreibst und rappst, oder ist das mehr so ein Bauchgefühl?

Es ist jetzt eher Bauchgefühl. Es war aber auch schon mal, da brauch ich noch eine Antirassismusnummer, und da will ich noch ein Feminsmusding und sowas. Aber aus dem bin hinausgewachsen, denn es fühlt sich freier an, wenn ich nach Bauch schreibe. Im Hinterkopf bleibt die Verantwortung, mir selbst gegenüber als politische Person sich politisch zu äußern. Was möchte ich quasi gesagt haben und wie möchte ich es einpacken. Ich bin hinausgewachsen aus diesem Mit-dem-Hammer-draufhauen und bin dann mit mir im Zwist, weil gleichzeitig muss etwas gesagt werden.

Wie ist es für dich in einem männerdominierten Genre MC zu sein?

Super, und ich liebe es, das sagen zu können. Mittlerweile gibt es generell und in Österreich viele Female MCs und es werden immer mehr. Natürlich gibt es noch Luft nach oben, aber die Richtung, in die es sich bewegt, ist gut. Als Female MC wird dir vom Patriachat erklärt, dass wir Beiwerke sind und Objekte. Hip Hop erklärt es uns noch einmal zusätzlich mit extrasexistischen Zeilen. Dem muss man dann Paroli bieten. Man wird auch immer gefragt, wie es ist, ein Female MC zu sein, weil die Männer die Mehrheit bilden und die Minderheit immer reflektieren muss.

Hast du für uns eine Anekdote, wie es als Female MC in der Hip Hop-Szene sein kann?

Mein Lieblingserlebnis war im fluc, wo ich aufgetreten bin. Nach dem Auftritt kommt ein Typ zu mir, war sehr freundlich und will mich auf einen Drink einladen. Ich sage: „Nein, danke ich habe noch ein Bier und oben trink ich gratis“. Ich wollte damit weder eine Machtposition ausspielen, noch mich auf einen Drink einladen lassen. Später stehe ich dann oben an der Bar und er geht an mir vorbei, beugt sich im Gehen hinunter und sagt: „Vergiss nicht, Rap ist halt trotzdem Männersache“, und geht. Solche Sprüche wie „für eine Frau oder ein Mädchen kannst du gut rappen“ oder „du bist ja gar nicht so arrogant“ hört man immer wieder.

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Würdest du sagen die Darstellung der Frau hat sich im Hiphop verändert, jetzt wo es eine größere Bandbreite gibt?

Die Texte verhaften immer noch in den Klischees. Zum einen gibt es auch feministische Männer in der Rapszene, die dir auf Augenhöhe begegnen. Manchmal gibt es auch Männer in der Hiphopszene, die dir Komplimente machen, dich aber kleinhalten im Sinne von „dass eine Frau das kann“. Dann möchte man das Kompliment annehmen aber gleichzeitig ein bisschen Aufklärungsarbeit betreiben, was man immer ruhig machen muss, sonst könnte es als Gegenangriff gewertet werden.

Wir haben 2018 und es gibt schon sehr progressiven Hiphop. Gleichzeitig aber gibt es Hip Hop, der im Mainstream steht, wo das Wort „Bitch“ häufig verwendet wird oder Frauen wie Objekte betrachtet werden. Warum ist das deiner Meinung nach so und wird es sich ändern?

Bald wird sich das wahrscheinlich nicht ändern. Das ist so, weil diese Frauen-Objekt-Sexismus-Geschichte so tief in unserer Gesellschaft und der Kultur drinnen steckt, dass sie ja nur nicht im Hip Hop ist, sondern auch in der Popmusik oder in Filmen, aber nicht nur dort. Es ist ganz tief im kollektiven Bewusstsein, dass Frauen Objekte sind und hübsch sein müssen und dass Männer ein Recht auf alles haben. Es wird reflektiert und behandelt, aber dieses Denken wird lange andauern.

Deiner Meinung nach ist die Hip Hop-Kultur also keine Entschuldigung, um zum Beispiel mit dem Wort „Bitch“ um sich zu werfen?

Damit macht man es sich einfach leicht. Anstatt eine Konsequenz zu Ende zu denken, denkt man nur einen Schritt voraus und lehnt sich dann zurück.

Findest du es fair, dass Hip Hop Sexismus so oft vorgeworfen wird, im Gegensatz zu anderen Musikrichtungen?

Nein, ich finde es nicht fair. Ich kann mir aber vorstellen, dass man gerne die Sachen, die einem nicht so gefallen, dann doch einer Gruppe zuschiebt, die schon diskriminiert ist. Hip Hop ist zu einem großen Teil afroamerikanische Musik und die Aneignung von Weißen demgegenüber ist auch etwas worüber man sprechen und nachdenken muss.

Inwiefern denkst du, dass die sogenannten rechten und linken Filterblasen in Österreich ein Problem sind?

Es ist ein großes Problem, deswegen gewinnen alle Rechten gerade ihre Wahlen. Menschen treiben auseinander, solange du sie isolierst oder sie nicht in den Dialog stellst. Im Dialog entstehen Dinge und selbst wenn ich nicht der Meinung meines Gesprächspartners bin, kann er mich als Mensch respektieren und sich meine Punkte anhören und umgekehrt genauso. Es führt auch zu einer „Spaltung“ der Gesellschaft, weil die einen im siebten Bezirk im Café sitzen und über die neue Ausstellung reden, während die anderen am Stammtisch sitzen und über den neuen Wochenblick reden.

Wann kann man dich das nächste Mal live erleben?

Am 2. November spielen wir im WUK beim Europavox Vienna.

Danke für das Interview.

infos und weiterführende Links

Yasmo FB

Yasmo – klangkantine Official

Europavox Vienna