Podcast

Milovice, eine kleine Ortschaft in Tschechien, bietet seit 2015 am Flughafengelände genug Platz für das größte Drum&Bass-Festival der Welt. Vor über zehn Jahren kamen rund 3000 Menschen beim ersten LET IT ROLL – Open Air Festival zusammen, um eine neue Musik-Ära einzuläuten. Seither sind die Besucherzahlen stetig gestiegen: Das Festival kann mittlerweile fast zehnmal soviele BesucherInnen verzeichnen. Sie kommen aus 60 Ländern, um die über 320 Artists beim spektakulären 3-Tages-Treffen der angesehensten DJs der Szene zu erleben!

A DELAYed arrival

Nach etwa eineinhalb Stunden staubedingter Verzögerung erreicht DELAY Magazine am Donnerstag die Stadt Milovice, die etwa eine halbe Autostunde von Prag entfernt liegt. Schilder weisen uns kreuz und quer durch Nadel- & Mischwald Richtung Festivalgelände. Doch bevor wir ankommen, überrascht uns eine Polizeibarrikade. Nach dem Standard-Alkoholtest werde ich gebeten, beiseite zu fahren und auszusteigen. Von beiden Innenseiten meiner Wangen sowie meiner Zunge wird ein Abstrich mit einem Teststreifen genommen – ein „Schnelltest“ auf unterschiedliche Drogentypen. Also erstmal gebannte zehn Minuten auf das Ergebnis warten. Nach einer Weile sieht mich der Polizist an und sagt:“ It’s negative. You can go.“ Kurz nach der etwas unerwarteten Kontrolle erreichen wir das Ziel.
Here we are – LET IT ROLL!

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„Czech in the tent“

Schnell die Bänder geholt und auf zur Zeltplatzsuche! Zwei Zelte neben einem Absperrgitter aufgestellt  und schon steht das Basislager bereit. Keine fünf Minuten darauf freunden wir uns schon mit dem einheimischen Zeltnachbarn “J“ an. Ein echter Glückstreffer! Sofort schenkt er uns eine Flut an Informationen und „Republica“ ein, einen tschechischen Rum. Unsere neue Bekanntschaft ist schon seit Entstehungszeiten des Festivals dabei und scheut sich nicht, seine Erfahrungen mit uns zu teilen. Er verrät uns das „ursprüngliche Konzept“ und lässt sich ein wenig über dessen kommerzielle Entwicklung aus. Mit der Währung Bolt, dem „bargeldlosen Zahlen“ (mit Hilfe eines Chips am Festival-Armband), das letztes Jahr eingeführt wurde, scheint unser neuer Freund wohl nicht ganz zufrieden zu sein. Nachdem er uns dann noch über die verbesserungsfähigen Wasser- und Toitoi-Bedingungen am Gelände aufgeklärt hat, fängt J. jedoch an, über die heurigen Acts und die großartige Musik des Drum & Bass zu schwärmen, was die negativen Kommentare von vorher wieder wettmacht. Er verrät uns, dass der heimische Besucheranteil zu Beginn annähernd bei 100 Prozent lag, über die Jahre immer mehr abnahm, dafür jedoch mittlerweile Vertreter aus aller Welt kommen.
Mit dem gebotenen Überblick steigt unsere Motivation, uns in die Menge zu stürzen. Gesagt, getan. Wir finden uns inmitten des Areals neben dem Madhouse im D’nB-Rausch wieder. Der erste Eindruck ist gigantisch und unüberschaubar … Wie sollen wir uns bloß die nächsten drei Tage und Nächte durch die zehn Bühnen schlagen, ohne uns zu verirren?! Wir nützen also die Zeit, um uns zu orientieren, schlendern umher, studieren das Line-up und versuchen, uns die Karte vom Areal einzuprägen.

LET IT ROLL

Auf einer Miniramp neben uns toben sich einige Skater aus, während die warme Abendsonne hinter ihnen langsam tiefer sinkt. Die Wasserrutschbahn zum „Surfen“ wird bereits eingerollt, doch das „Surfen auf Rollen“ geht noch vergnügt weiter. Aus der Ferne hört man durch den Teppich von omnipräsenten Drum&Bass-Beats das Gekreische von einer Vergnügungspark-Attraktion. Tagesaktivitäten scheint es massenhaft zu geben. Das Musikprogramm dagegen ist am ersten Tag noch halbwegs übersichtlich, die Mainstage öffnet ja erst am morgigen Freitag. Wir beschließen, uns heute hauptsächlich auf vier Bühnen zu beschränken (Factory Stage, Madhouse, Portal und Shredder), auf denen zu einem späteren Zeitpunkt unter anderem noch No Concept, London Elekticity, Delta Heavy, Metrik, Joe Ford, Alix Perez, Cyantific, und Calyx & Teebee zu sehen sein werden. Natürlich viel zu viel in zu kurzer Zeit, vor allem wenn Hunger und eine ordentliche Portion ausgezeichnetes veganes Linsen-Dahl (für 2 Bolts, das entspricht etwa 4,50 €) dazwischenkommen. Dafür schaffen wir es noch zum Auftritt von A-Cray, einem tschechischen D’nB Artist, den wir untertags kennenlernen durften. Mit seiner humorvollen Performance und seinem harten Set bietet er uns einen würdigen Abschluss des ersten Tages. Bei beginnender Morgendämmerung gegen fünf Uhr kriechen wird in unsere Zelte.

The story continues

Nach einem erfrischenden Ausflug zu einem See und neuer Nährstoffversorgung mit anschließendem Kaffee in Nymburk geht es durch die bereits bekannte Polizeikontrolle. Ein angenehm zarter Regenschauer kühlt alle für eine halbe Stunde ein wenig ab. Der spürbar zu kurz gekommene Schlaf und die Hitze müssen dennoch mit Pivo (= Bier) bekämpft werden. Es ist nach 18 Uhr und wir machen uns langsam auf den Weg zur Factory Stage. Aus den Schloten der „Fabrik“ steigt bereits Rauch auf, das Zeichen, dass die Musikproduktion in Fahrt kommt. Nach Kato kommt Bensley auf die Bühne. Dieser wird von Muzzy abgelöst, gefolgt von Aphrodite. Wir wechseln zur Mainstage, wo das Spektakel der Opening Show pünktlich um 22:00 Uhr startet.
Die Festival-Story im Comicstil handelt von gierigen Roboterwesen und der Zerstörung ihres eigenen Planeten, weil sie unsterblich mit Hilfe der „Immortal Box“ wurden. Die 30-minütige Opening Show zeigt nun die Geschichte, wie sich ihre Gesellschaft (in „Blau“ und „Rot“) entzweit, als „der Weise“ plötzlich mit dem Portal verschwand. Nach vielen Jahren des Krieges sind nur mehr wenige Roboter übrig, die dann zufällig auf den Schöpfer treffen, der das Portal zum Schutz in einer Höhle versteckt hält. Das gigantische Design der Hauptbühne zeigt ebendieses Treffen der Fraktionen. Die zusätzlichen Licht- und Pyrotechnikeffekte sind unvergleichlich, einfach massiv – ein atemberaubender Anblick!
Überwältigt von den farbenfrohen Eindrücken, begeben wir uns langsam wieder Richtung Zeltplatz, um uns etwas auszuruhen, während Loadstar, DJ Marky, Kings of the Rollers, Malux, Friction und einige mehr wieder die Menge beschallen. Die Motivation ist noch da für Andy C, Phace & Mesanthro, Dirtyphonics, Annix und viele andere … die Isomatte unter der Plane hat dann aber leider doch gewonnen.

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Get ready!

Nach dem erholsamen Schlaf fühlen wir uns für das Lineup vom Abschlusstag gewappnet. Das Areal ist uns mittlerweile vertraut. Wir lernen einen der Graffiti-Artists kennen, der sich hier mit einem seiner Kunstwerke verewigt hat. Wir bitten ihn um ein Foto, danach ist er schon wieder im Gewusel verschwunden. Auf zur Bar, um sich mit einem kalten Bier abzukühlen. Mit dem „cashless paying“ geht das wirklich schnell. Also vielleicht doch gar nicht so schlecht dieses System, auch wenn das Aufladen des Chips im Laufe der Nacht nur noch bei einer der drei angebotenen Stationen mit Bankomat- & Kreditkarte funktioniert. Es gibt also Vor- und Nachteile.

Give me more Bass – I need more Bass – Bass addiction

Die Sonne ist untergegangen und wir machen uns auf zum Madhouse, um unseren Plan einzuhalten. B-Complex beginnt dort um 21 Uhr. Seine Musik war einer meiner ersten Zugänge zur Drum&Bass-Szene – ich bin daher schon gespannt. Der Künstler hat sich 2015 als Bigender geoutet und tritt nun mit Kleid und Make-up auf die Bühne. Ich warte auf den ersten Drop. Endlich wird die Sucht nach tiefen Frequenzen wieder gestillt. Jede einzelne Zelle absorbiert den krassesten Bass ihres Lebens, das Trommelfell beginnt zu schwingen und mit ihm alles andere. Jeder Mensch konvertiert zum Resonanzkörper und wird zur Bassfrequenz – ein unvergleichbarer Einstieg! So vielschichtig und melodiös wie B-Complex’ Set ist auch die dazugehörige Lichtshow.

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Die nächste Stunde geht viel zu schnell vorbei, schnell weiter zu Dimension auf die Mainstage. Es geht tiefer in die Materie! Fette Beats und satte Lichteffekte die auf das Publikum treffen, sind hier am LET-IT-ROLL-Summer der Standard. Das österreichische Zwei-Mann-Team Camo & Krooked übernimmt um 23 Uhr die Hauptbühne und gibt alles. Währenddessen beschallt State of Mind die Factory Stage mit seinen harten Kompositionen.
Es ist Mitternacht. Emperor „stürzt die Fabrik“, während wir wieder zur Mainstage eilen. Dort legt Netsky auf und verschafft seinem Ansehen alle Ehre. Die springende Menschenmasse spricht für sich selbst. Sie wird noch dichter, als danach Pendulum mit seinem facettenreichen Set übernimmt. Die Euphorie steigert sich ins Unermessliche! Zehntausende Gleichgesinnte, die ihre Lieblingsmusik und -Artists live feiern können – ein Traum? Nein, LET IT ROLL – SUMMER 2018.
Und immer noch ist kein Ende in Sicht: Die drei Holländer Noisia setzen fort. Wieder bei der „Fabrik“ angekommen, lauschen wir den Klängen von Black Sun Empire. Der letzte Act der Mainstage ist Mefjus, und zum krönenden Abschluss stürmen Neonlight b2b Pythius die Factory Stage. Zur Freude ihrer Fans überziehen sie sogar um gute 20 Minuten. Wer immer noch nicht genug bekommen hat, kann seine letzten Energien die verbleibenden zwei Stunden bis 6 Uhr Früh noch auf vier anderen Stages „vertanzen“.

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„Czech it out“

Leichter Regen lässt die Temperaturen sinken und weckt uns sanft aus dem Schlaf. Nach einer Stunde scheint die Sonne wieder. Besseres Wetter für ein Festival kann man sich kaum wünschen. Wir packen unsere Sachen zusammen und machen uns auf den Weg zurück nach Wien. Ein kurzer Zwischenstopp in Prag dient zur Verarbeitung der unzähligen Eindrücke.

Der LET-IT-ROLL–SUMMER ist ein Muss für jeden Drum&Bass-Liebhaber! Man trifft hier Menschen aus aller Welt. Es bietet eine Vielfalt an weltbekannten Artists und immer genug Platz zum Austoben und Tanzen. Die Licht- und Pyrotechnikeffekte sind überwältigend und perfekt auf den Sound abgestimmt. Wir kommen gerne wieder!

LET IT ROLL – WINTER (22. & 23.02.) & LET IT ROLL – SUMMER 2019, das größte Drum&Bass-Festival der Welt wartet auf dich!

Infos und weiterführede Links

Let it roll official