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Andreas Prugger hat sich eine Auszeit vom hektischen Alltag genommen, um einen langen wunderbaren Sommer auf einer abgelegenen Alm in Tirol zu verbringen. Mitten im alltäglichen Alm-Leben fand er schließlich auch die Ruhe, die er eigentlich gesucht hatte.

Der aus Hall in Tirol stammende Künstler Andreas Prugger war für zwei Monate Hirte, auf der Reggenalm in Tirol. Wir haben ihn besucht und über das Almleben und die Entwicklung der Almen gesprochen. Nicht selten, zieht es junge Menschen im Sommer für ein paar Monate auf eine Alm, um dort zu arbeiten. Natürlich auch, um einfach mal dem Alltag zu entfliehen und die Ruhe zu genießen. Es stellt sich die Frage: Wie der Alltag auf so einer Alm aussehen kann und wieso sich Menschen die schwere Arbeit überhaupt antun.

St. Jakob in Defereggen ist eine Gemeinde im österreichischen Bundesland Tirol. Genauer gesagt liegt der malerische Ort im Bezirk Lienz, in Osttirol. Umfangreiche Teile des Gemeindegebietes gehören zum Nationalpark der Hohen Tauern. Vom Tal bis zur Reggenalm sind es gut ein und halb Stunden Fußweg. Der Weg zur Hütte ist übersäht mit großem Gestein und schroffen Baumwurzeln. Der Aufstieg ist kein leichter, doch die Mühe ist es Wert. Denn am Ende wird man mit einer tollen Aussicht  belohnt.

Interview mit Andreas Prugger:

Wie gefällt es dir hier bis jetzt?

Ja sehr gut. Die Stimmung, das Wetter und die gute Luft sind speziell. Hin und wieder ist die Arbeit auch ganz schön anstrengend. Es ist einfach was besonderes hier Oben. Man gewöhnt sich ja. Alles was ich brauche habe ich hier.

Wie war dein erster Tag?

Der war noch relativ gemütlich. Da waren noch keine Kühe da. Am ersten Tag hat mir der Jakob alles in Ruhe gezeigt.  Wir haben den Stall hergerichtet. Das heißt: Die Speisekammer aufgeräumt und mit Vorräten gefüllt. Die Betten Frisch überzogen und rund um die Hütte sauber gemacht. Die Zäune wieder neu aufgestellt und den Stall von Spinnweben befreit. Auf so einer Alm geht dir die Arbeit nicht aus. (lacht) Ein paar Tage später kamen die Kühe nach. Es war mal ein erstes gegenseitiges kennenlernen mit den Viechern.

Wie kam es zu der Entscheidung, über den Sommer auf die Alm zu gehen?

Ja eigentlich, wollte ich mal bewusst alles hinter mir lassen. Ich brauchte mal ein anderes Umfeld. Einfach mal weg vom gewohnten Alltag. Es tut gut andere Locations zu erleben. Für mich ist das Inspiration. Auch um kreativ zu wachsen. Dazu auch mal in eine andere Rolle zu schlüpfen, dass fasziniert mich. Das Leben ist ja ein Prozess, der sich ständig weiterentwickelt. Leben bedeutet ja nicht stillstand. Wenn man immer am selben Spot abhängt, automatisieren sich die Abläufe. Da brauche ich öfters mal eine Abwechslung.

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Wie gestaltet sich das Leben auf der Alm? Wie sieht dein Tagesablauf aus?

Spätestens um halb sieben aufstehen. Weil die Tanja schon unruhig wird. Tanja ist die Milchkuh. Ich höre sie schon früh morgens, denn der Stall ist direkt unter mir. Als erstes wasche ich mich und richte mir dann das „Melk-Zeug“ her. Also, wenn ich dann im Stall bin ist es meistens sieben Uhr. Nach dem melken lass ich die Kühe auf die Weide raus. Wenn alle Kühe zusammen sind, ist die Welt in Ordnung. Da hab ich genug Zeit für andere Sachen. Zum Beispiel den Stall sauber machen oder Heu für die Tiere herrichten. Bei gutem Wetter baue ich außen ein kleines Sonnenlager auf und mache es mir gemütlich. Dann gibt es wieder mal so Tage wie heute, wo die Kühe machen was sie wollen. Wenn das Wetter dann auch nicht passt, kann es schnell passieren, dass die Gruppe auseinandergerissen wird. Dann versucht man die Herde wieder zusammenzutrommeln.

Wenn man immer am selben Spot abhängt, automatisieren sich die Abläufe. Da brauche ich öfters mal eine Abwechslung.

Hast du auch genug Zeit zum Kreativ sein?

Ja doch. Ich habe ein paar Sachen gemacht. Drei Zeichnungen sind endstanden. Hier auf der Alm ist es immer verschieden. Zu tun gibt es immer was. Aber natürlich hat man auch genug Zeit zum Nachdenken. Es gibt dann wieder so Tage wie heute, wo mir die Viecher (Kühe) weglaufen. Plötzlich hat man Arbeit und muss aufpassen, dass die Tiere nicht in ein zu steiles Gelände gehen.

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Warum werden die Tiere im Frühling überhaupt auf die Alm getrieben?

Hier im Defereggental ist der Alpenblumenweg und im Sommer gehen diesen Weg viele Wanderer. Damit hier verschiedenste Blumen und Kräuter überhaupt wachsen können, braucht es die Kühe auf der Alm. Diese müssen das Weidegras abfressen, damit mehr Licht auf den Boden kommt und somit verschiedenste Kräuter und Blumen auch wachsen können. Wenn ein Weidegebiet nicht mehr von den Kühen abgefressen wird, dann gibt es keine Blumen mehr. Sondern nur noch Alm-rosen und gewisse Wuchergewächse.

Was zeichnet einen guten Hirten aus und wie viel verdient man dabei?

Ja man muss halt körperlich fit sein. Das ist glaube ich wichtig. Es ist hier oben auf der Alm extrem. Angefangen von der Arbeit, bis hin zum Wetter. Man muss hier schnell reagieren und Situationen gut einschätzen. So schön es auch ist, so hart ist es auch an anderen Tagen. Manchmal liegt man drei Tage in der Sonne und denkt sich „gewaltig“. Man hat viel Zeit und kann sich mit sich selbst beschäftigen. Dein ganzer Tag wird von Mutternatur beeinflusst. Die Tiere werden unruhig, wenn das Wetter umschlägt. Da muss man einfach mitgehen, sich anpassen und vor allem ruhig bleiben. Mit dem Verdienst ist es so eine Sache. Ich bekomme für einen Monat Arbeit 1000.- Euro vom Bauern. Zusätzlich kann ich mir mit dem Käse, noch etwas dazu verdienen. Das läuft ganz gut. Hin und wieder kommen Wanderer vorbei und kaufen dann Käse oder Joghurt. Mir macht die Arbeit Spaß.

Du bist ja nicht nur Hirte, sondern auch Senner. Wie machst du den Käse?

Verarbeitet werden immer 20 Liter Rohmilch pro Durchgang. Als erstes wird die Milch auf 65 Grad Celsius erhitzt. Diese Temperatur wird 15 Minuten lange gehalten und anschließend, auf 38 Grad Celsius abgekühlt. Danach werden die Joghurtkulturen sowie das Laab hinzugefügt, um die Milch zum Stocken zu bringen. Diese Bakterien sind unter Anderem verantwortlich für die Konsistenz. Nach einer Ruhephase, von ca. dreißig Minuten wird der Käse zerteilt. Dabei trennt sich die Molke vom Frischkäse. Nach diesem Vorgang, kann mittels Sieb die Molke vollständig vom Frischkäse getrennt werden. In 24 Stunden wird der Käse alle zwei Stunden gewendet, um auch die restliche Molke vom Käse vollständig abrinnen zu lassen. Zum Schluss wird er geschnitten und in Salzwasser eingelegt. Jetzt nur noch mit Kräutern verfeinern und in Öl einlegen, fertig ist der Käse.

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Auf wie viele Kühe passt du auf und gibt es mittlerweile eine Lieblingskuh?

17 Kühe sind hier auf dieser Alm. Letztens hatte ich drei Ponys hier. Die sind einfach von alleine gekommen. Aber jetzt, sind die drei wieder oben auf der Seespitz und grasen dort. Gemelkt wird aber nur eine Kuh. Meine Lieblingskuh würde ich sagen, ist die Tanja. Die Milchkuh. Mit der hab ich eine sehr intime Beziehung. Schließlich greife ich ihr jeden Tag auf die Euter. Auf jeden Fall die Tanja. Wir müssen uns verstehen. Die anderen Kühe sind halt wie die Kinder. Die Jugendlichen, die revoltieren. Die wollen halt alles ausprobieren. So wie wir halt manchmal. (lacht)

Auf was schaust du bei den Kühen und wie kannst du sie unterscheiden?

Zuerst schau ich mal, ob alle da sind. Zählen ist angesagt. Durch die Größe und die Farben kann ich sie gut erkennen. Bei der Sandy zum Beispiel an der Farbe. Die hat ein dunkleres Braun. Bei Kühen gibt es kleine Merkmale, wie die Flecken auf der Haut, die man sich merkt. Wenn die Kühe auf der Weide sind, muss man ständig das Wetter im Auge behalten. Oft gehen sie zum Grasen auf Stellen, die gefährlich sein können. Da muss man als guter Hirte schauen, wie man sie vom steilen Gelände wieder runter bekommt. Bei Gewitter stellt man die Kühe eher runter in die Nähe vom Stall. Jeder Tag ist anders. Das Wetter kann einem immer einen Strich durch die Rechnung machen.

Der SwagBot ist ein Roboter für den Bauernhof. Er treibt Vieh-Herden zusammen und fährt über Stock und Stein. Denkst du, er könnte dich mal ersetzen? Und wie siehst du diese Entwicklung?

Nein, das glaub ich nicht. Das ist zu komplex. Bei der Milchproduktion ist das wieder was anderes. Aber hier auf einer Alm wird es eher schwierig für den Roboter. Situationen einzuschätzen wie beispielsweise das Wetter, das Gelände oder die Tiere. Das sind Aufgaben, die selbst für einen Roboter nicht leicht zu meistern wären. Also ich persönlich glaube nicht, dass ein Roboter-Hirte mal diesen Job übernehmen kann. Aber schauen wir mal, was die Zeit noch bringen wird.

Ja und diese Entwicklung, Naja. Ich sehe es kritisch. Der Digitale Bauernhof wird sicher irgendwann kommen. Aber solange es noch Kühe gibt und Milch getrunken wird, wird es hoffentlich auch noch die Almen geben. Die Bauern sind ja was die Milch betrifft, die Armen. Die könnten ja von der Milch alleine nicht leben. Soviel ich weiß bekommen die Bauern eine Förderung, dass sie diese Weiden bewirtschaften. Es geht ja anscheinend nur noch mit Förderungen von der EU. Weil die Milchpreise so im Keller sind. Ja irgendwer muss ja diese Lebensräume erhalten. In dem Fall – sind es die Bauern.

Welche Rolle denkst du, haben die Almen in der österreichischen Gesellschaft ?

Ja die Almen haben schon noch eine Bedeutung. Almen bieten als Schi- und Wandergebiete eine Grundvoraussetzung für den alpinen Tourismus. Und der ist ja in Österreich ein wichtiger Wirtschaftszweig. Als Lebensraum für die Tiere. Nicht zu vergessen die Familien die seit Jahrzenten hier, ihre Almen bewirtschaften. Also die Almen sind für uns in Österreich schon sehr wichtig. Doch vielleicht wird es von der Gesellschaft nicht so wahrgenommen.

Ja und für den Bauern ist natürlich die Alm auch sehr wichtig. Almen können beispielsweise bis zu einem Drittel der Futtergrundlage eines Betriebes liefern. Die ganze Umgebung mit den Tieren und der Natur sind für den Bauern sehr wertvoll. Er versucht den Lebensraum zu nützen und gleichzeitig zu pflegen und was zurückzugeben. Man muss sich vorstellen, dass bei den meisten Bauern der Almbetrieb auch Tradition bedeutet. Schließlich werden die Bräuche und Arbeitsformen von Generation zu Generation weitergegeben. Natürlich ist es auch für die Tiere wichtig. Schließlich werden die Kühe dadurch robuster und stärker, wenn sie schon als Jungtier, auf die Alm kommen.

Andreas Prugger ist Künstler aus Hall in Tirol.

geb: 11.07.1985

Seine Werke gibt es hier zu bestaunen.

Homepage - Andreas Prugger